Kim Them Do
Tóm tắt: Chương VII giới thiệu một tổ chức quốc tế mới ra đời theo hình thức mạng lưới là International Competition Network (ICN) sẽ đảm nhiệm vaI trò giải quyết các vấn đề khó khăn trong việc hợp tác quốc tế này. Sau khi giới thiệu lịch sử hình thành và nguyên tắc hoạt động, chương VII thảo luận các phương thức áp dụng, kiểm chứng các thành quả hoạt động trong thực tế và kết luận là ICN giải quyết các vấn đề hiện nay một cách hữu hiệu và hợp pháp.
Kapitel 7 Das International Competition Network als Plattform für die Umsetzung
Die bisherigen Erörterungen haben gezeigt, dass es noch eine vernünftige Alternative gibt, welche die zunehmenden Herausforderungen der Fusionskontrollpolitik lösen könnte. Der Bedarf nach einer internationalen Harmonisierung verschiedener materieller Rechte ist dabei nicht fundamental. Die wichtigste und vordringlichste Aufgabe ist die Anpassung der formalrechtlichen Verfahren, so etwa die Vereinheitlichung von Anmeldeformularen und Fristen als ein erster Schritt in Richtung einer realistischen Lösung. Vor allem aber geht es um die Durchsetzbarkeit.
Vor diesem Hintergrund ist ein Lösungsvorschlag im Rahmen der wettbewerbspolitischen Mindeststandardkonzeption ansatzweise weiter oben herausgearbeitet worden. Dies soll hier als Ausgangspunkt der folgenden Analyse dienen. Ohne Bereitschaft zur Umsetzung dieses Standards wird das hier entwickelte Konzept jedoch lediglich eine Idee unter vielen bleiben. Es ist weiterhin zu fragen, welche Beiträge das ICN für die angesprochene Konfliktlösung leisten kann.[1]
Bei der folgenden Diskussion soll die Problemlösungsfähigkeit des ICN analysiert werden. Es handelt sich dabei überwiegend um eine empirische Überprüfung der hypothetischen Vorstellung der Netzwerktheorie.
Zur Beantwortung dieser Frage rückt dafür zunächst die Entstehungsgeschichte sowie die Struktur und Arbeitsweise des ICN in den Fokus. Dann wird untersucht, ob das ICN als eine Plattform für die weitere Umsetzung der Mindeststandardkonzeption tauglich ist, also ob es als eine institutionelle Absicherung für das Projekt anzusehen ist.
Die Entstehungsgeschichte
Am Anfang des ICN stand die Enttäuschung über die Problemlösungsfähigkeit der WTO. Aus amerikanischer Sicht[2] sind die grenzüberschreitenden Wettbewerbsfälle im Zeitalter der Globalisierung drastisch angestiegen. Die Konfliktlösung aus den Handelsbeziehungen kann jedoch nicht in den multilateralen Mechanismen der WTO-Verhandlungen gefunden werden, da die Streitigkeiten in der Regel bilateraler Natur waren. Die Schlichtungsverfahren der WTO stellten für die Handelsstreitigkeiten globaler Märkte auch keine tau-gliche Lösung dar.
Daher kann von einer wirksamen Kontrolle grenzüber-schreitender Wettbewerbsbeschränkungen unter dem Dach der WTO nicht die Rede sein. Nicht nur US-amerikanische Handelspolitiker, sondern auch die Fachwissenschaftler beharrten darauf, dass die bilateralen Abkommen, wie auch in der oben angesprochen statistischen Untersuchung belegt ist,[3] eine feste Grundlage für die Zusammenarbeit und die Konfliktlösung in Zukunft sein sollten.[4] Also blieb die bilaterale Lösung trotz der zunehmenden Internationalisierung der Märkte der erfolgreichste Ansatz für eine internationale Wettbewerbspolitik. Vor diesem Hintergrund lehnten sie die WTO-Lösung ab.[5]
Aufgrund der Initiative des US-Justizministeriums wurde im Jahr 1997 eine Expertengruppe, das so genannte International Competition Policy Advisory Committee (ICPAC), ins Leben gerufen. Die Aufgabe dieser Arbeitsgruppe besteht darin, Probleme bei internationalen Wettbewerbsfragen zu identifizieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Dazu gehören auch grenzüber-schreitende Zusammenschlüsse. Anfang 2000 wurde dem US-amerikanischen Justizministerium ein Abschlussbericht vorgelegt. In institutioneller Hinsicht wurde die Gründung einer so genannten Global Competition Initiative (GCI) vorgeschlagen.
Ziel dieser Initiativgruppe sollte es sein, eine lockere und unverbindliche Form der Zusammenarbeit zwischen den Wettbewerbsbehörden zu ermöglichen. Vorgesehen wurden zu diesem Zweck regelmäßige Treffen nicht nur für die Verantwortlichen der Wettbewerbsbehörden, sondern auch für Vertreter internationaler Organisationen, Firmenjuristen und Fachakademiker. Die geplante Versammlung sieht nicht vor, bindende Regeln für eine internationale Wettbewerbsfrage zu erarbeiten. Hauptthemen in dieser geplanten Veranstaltung sind der Meinungsaustausch zwischen Experten und Beamten in den Behörden. Der nationale Eigensinn der wettbewerbspolitischen Tradition sollte hingegen nicht Gegenstand der Diskussion sein. Es ist auch geplant, die Arbeitsergebnisse des Jahrestreffens nach der besten Praxis (code of best practices) vorzustellen.
Der Bericht wurde von der Fachwelt überwiegend positiv aufgenommen. Die institutionelle und inhaltliche Ausrichtung wurde nicht nur diskutiert, sondern auch unterstützt. Die International Bar Association hat diesen Vorschlag aufgriffen, indem sie ein erstes Treffen in Ditchley Part (England) veranstaltet hat. Eingeladen wurden 43 Kartelljuristen, darunter auch die Vertreter der Wettbewerbsbehörden. Das Treffen wurde erfolgreich mit dem Ergebnis abgeschlossen, dass eine Arbeitsgruppe zur Vorbereitung der Gründung eines internationalen Forums für Wettbewerbsfragen eingesetzt wurde. Die Teilnehmer sprachen sich einstimmig dafür aus, diese Maßnahme zu unterstützen.
Bei einer internationalen Konferenz in Bonn 2001 haben sich die Vertreter der Wettbewerbsbehörden auf die Gründung des ICN geeinigt, dass am 25.01.2001 in New York ins Leben gerufen worden ist. Beim ICN geht es nicht um einen internationalen Vertrag der Nationalstaaten im völkerrechtlichen Sinn, wohl aber um eine faktische Vereinbarung der Wettbewerbsbehörden über die Gründung einer virtuellen Organisation. Also hat dieses Forum weder eine Rechtspersönlichkeit noch eine Rechtsverpflichtung. Seither ist ein informelles Netzwerk der Wettbewerbsbehörden auf dieser freiwilligen Basis der Zusammenarbeit entstanden.[6]
Die Konferenz des ICN hat in Neapel, Italien (2002), Merida, Mexiko (2003), Seoul, Korea (2004), Bonn, Deutschland (2005), Cape Town, Südafrika (2006) und St. Petersburg, Russland (2007) stattgefunden. Die künftigen Treffen sind auch schon in Japan (2008) und in der Schweiz (2009) geplant. Daneben sind weitere verschiedene ad-hoc-Workshops zu verschiedenen Themenkreisen ge-plant.
Organisation[7]
Aus organisatorischer Hinsicht ist die Selbstbeschränkung des ICN selbstverständlich. Es ist keine zentralisierte Organisation im strengen Sinn. Bei der Verfolgung seiner Anliegen hat das ICN nicht vor, eine Zentralisierung wettbewerbspolitischer Kompetenzen zu schaffen. Dieses netzwerkartige Arrangement hat sich unter anderen zum Ziel gesetzt, die Chance für die erfolgreiche Problemlösung zu erhöhen, indem es praktische Hinweise für die weitere fach-spezifische Bearbeitung bereitstellt. Bezogen auf die Vielfalt der Wettbewerbspolitik als Rechtswirklichkeit gehen die Gründer des ICN davon aus, dass diese Heterogenität nicht kurzfristig vereinheitlicht werden kann. Deshalb bietet sich das ICN als eine Art Quelle der Inspiration bei der Lösungssuche an. Es geht also mehr um die Erhöhung der Akzeptanz und die Effizienz der Sachlösung.
Dies kann nur dann gelingen, wenn ein fruchtbarer Dialog zwischen den Beteiligten werden kann. Dabei soll auch die moderne Kommunikationstechnik (z.B. Internet, E-Mail oder Schaltungskonferenz) genutzt werden. Die Kommunikationsprozesse dienen vor allem dem gegenseitigen Austausch und erleichtern auch die weitere Beobachtung. Zudem ermöglichen sie, Vergleiche durchzuführen. Auf diese Weise können Einflussmöglichkeiten wahrgenommen werden. Innovative Lösungen können daher imitiert und angepasst werden. Ein starkes Argument für den Verzicht auf eine Rechtsetzung ist also durch die Rechtswirklichkeit begründet: Vor dem Hintergrund einer heterogenen nationalen Regulierungstradition ist das ICN eindeutig nicht in der Lage, die Erzwingungskompetenz zur Anwendung der vorgeschlagenen Lösung konsequent global zu verfolgen.
Das ICN ist ein Forum, dessen Mitglieder fast ausschließlich Wettbewerbsbehörden sind; sie sind damit meist substaatliche Akteure. Bereits 90 Wettbewerbsbehörden sind diesem Netzwerk beigetreten.[8]
Aus diesem Grund hat der Nationalstaat nicht den Status einer offiziellen Mitgliedschaft. Die Entwicklungs- und Transformationsländer sind auch beteiligt, da sie darauf hoffen, viele Vorteile des ICN als weltweites Kontaktforum nutzen zu können. Die Netzwerkbeziehungen eröffnen Möglichkeiten nicht nur für Verhandlungen, sondern auch für Unterstützung. Ohne fachliche Unterstützung des ICN und politische Förderung durch die Industriestaaten hat die Umsetzung des Wettbewerbsprinzips in diesen Ländern sicherlich keine Aussicht auf Erfolg.
Die organisatorische Besonderheit des ICN ist auffällig und neu: Dieses Netzwerk verfügt über eine fast ausschließlich virtuelle Verbindung. Dies bedeutet, dass es kein Sekretariat, keine ehrenamtlichen Mitarbeiter und keinen institutionellen Unterbau gibt. An der Spitze des ICN ist eine so genannte Steering Group, die alle zwei Jahre neu gewählt wird. Ihre Aufgabe besteht darin, die Koordination der verschiedenen Arbeitsgruppen sowie die Außenvertretung zu übernehmen. Die Arbeit des ICN wird unter den verschiedenen Arbeitsgruppen online aufgeteilt und von ihnen geleistet.
Jede Arbeitsgruppe ist in ihrer Arbeitsweise autonom und hat weitere Unterarbeitsgruppen. In den Arbeitsgruppen arbeiten nicht nur Beamte der Wettbewerbsbehörden, sondern auch die so genannten Non- Governmental Advisors (NGA) zusammen. Die meisten sind Firmenjuristen, Kartellrechtler in Universitäten und Fachvertreter der Unternehmensverbände, der Gerichte und internationaler Organisationen. Die Ergebnisse der Fachgruppen werden in der Regel auf einem Jahrestreffen vor-gestellt. Also ist die Interaktion zwischen den Netzwerkakteuren fast aus-schließlich informell und horizontal organisiert. Von fester Institutionalisierung kann hier also nicht die Rede sein.
Governance-Prinzipien
Das ICN strebt einen völlig neuen Ansatz an: aus der Praxis für die Praxis. Es geht hauptsächlich um die Verbesserung der Kooperation und Koordination im Bereich der internationalen Wettbewerbspolitik, und zwar über den Weg, Erfahrungen bei der Lösungssuche zur Beseitigung verfahrensrechtlicher Konflikte auszutauschen. Weitere Bemühungen in Richtung Konvergenz der globalen Wettbewerbsordnung in materiell-rechtlicher Hinsicht stehen nicht auf der Agenda.
Auf freiwilliger Basis will das ICN regelmäßig eine Reihe von Arbeitsergebnissen der verschiedenen Fachgruppen im Bereich der internationalen Wettbewerbspolitik präsentieren. Mit Hilfe der Empfehlungen, Studien, Leitfäden und Praxishandbücher könnte in Zukunft eine effektive Lösung für Konflikte grenzüberschreitender und globaler Fusionskontrolle gefunden werden. Die Veröffentlichung der codes of best practices ist daher als eine Entscheidungshilfe anzusehen und selbstverständlich nicht rechtsverbindlicher Natur. Die Umsetzung der Arbeitsergebnisse des ICN auf nationaler Ebene ist Sache der Behörden. Allerdings wäre es sicherlich wünschenswert, dass diese codes of best practices umgesetzt werden. Das ICN hat Interesse daran, diese Entwicklung konsequent zu verfolgen, indem es die zwei folgenden Mechanismen entwickelt hat.
Kognitive Konvergenz durch permanenten Austausch[9]
Unter kognitiver Konvergenz versteht man in diesem Kontext ein gewachsenes Verständnis für die Wettbewerbsfrage, damit allmählich eine gemeinsame Wettbewerbskultur zur Konfliktlösung aufgebaut werden kann. Dies kann erst dann passieren, wenn ein systematischer und permanenter Austausch von Meinungen zustande kommt.[10]
Die Erfahrungen aus den bilateralen Beziehungen haben auch gezeigt, dass viele Konflikte bezüglich der grenzüberschreitenden Fusionskontrolle meistens auf der Bewertung der Sachlage basieren. Was kann der Grund für die unterschiedlichen Analyseergebnisse sein, wenn die Daten und Fakten von Unternehmen überall gleich sind? Bezeichnend ist hier, dass es unterschiedliche Ansichten über die Beurteilung der Wirkungen der Wettbewerbsbeschränkungen gibt. In der Regel können Wettbewerbsbehörden beim Ermittlungsverfahren intensiver koordinieren, um mehr relevante Informationen über das Fusionsprojekt zu beschaffen. Die Daten und Fakten der betroffenen Firmen sind grundlegend hilfreich, aber sie sind nicht entscheidend, um eine einheitliche Grundlage zur objektiven Bewertung der verschiedenen Behörden über ein Fusionsprojekt zu erhalten.
Für diese Wahrnehmung gibt es verschiedene Gründe: die industriepolitische Motivation, die rechtliche und politische Tradition, etc. Bei der vergleichenden Diskussion kann in gewisser Hinsicht die Angleichung der widersprüchlichen Ansichten erreicht werden. Dies scheint im Rahmen der lockeren Zusammenarbeit einer Netzwerksorganisation wie dem ICN machbar zu sein. Durch die Vertiefung und Intensivierung der Verbindung bei der Beteiligung an einer Netzwerkverbindung kann das Verständnis für die Auswirkungen der Fusionskontrolle aller Voraussicht nachwachsen. Daher wird eine Übereinstimmung der Wettbewerbsbehörden bei der Bewertung der Sachlage im Sinne kognitiver Konvergenz wahrscheinlicher.
Anreiz zur Umsetzung der besten Praxis durch Konformitätsdruck[11]
Wie oben gezeigt haben die Arbeitsergebnisse des ICN keine rechtlich bindende Wirkung. Von daher verpflichten sich die Mitglieder nicht, diese Empfehlungen auch umzusetzen. Ein Anreiz zur Umsetzung sollte dennoch geschaffen werden. Vor diesem Hintergrund hat das ICN noch eine weitere Initiative entwickelt, indem eine Arbeitsgruppe dafür eingerichtet wurde. Ihre Aufgabe besteht darin, den Entwicklungsstand der Umsetzung der ICN-Empfehlungen ständig zu beobachten. Dazu gehören auch Monitoring-Berichte, die regelmäßig veröffentlicht und kritisch kommentiert werden. Für die Mitglieder des ICN handelt es sich dabei um einen Konformitätsdruck (peer pressure)[12] zur Umsetzung der besten Praxis. Der Druck hat eine bestimmte symbolische Wirkung im Sinne einer „soft power of information“[13].
Nicht nur die Fachwelt, sondern auch die Öffentlichkeit kann die Frage stellen, warum die Behörde nicht bereit ist, den ICN-Standards zu entsprechen, wenn die vorgeschlagene Lösung effizient ist und die Unterstützung zur Imitation und Anpassung anregt. Das Vertrauen in die Behörden bezüglich der Problemlösungsfähigkeit kann daher gestört und der Konformitätsdruck gesteigert werden.
Die Leistungen der Arbeitsgruppen
Um Arbeitsergebnisse erzielen zu können, hat das ICN die Arbeit in den verschiedenen Gruppen aufgeteilt[14].
Mergers Working Group
Die Hauptaufgabe dieser Arbeitsgruppe besteht darin, Standards für Fusionskontrollverfahren zu entwickeln. Es geht dabei nicht nur um die theoretische Beschäftigung mit allgemeinen Ansätzen, sondern um die Herausgabe einer praktischen Arbeitsanleitung, die als optimale Lösung für alle Entscheidungsträger der Wettbewerbsbehörde bestimmt ist. Um zu einer objektiven Beurteilung des Sachverhalts zu gelangen, sollte die Praxis der Behörden verglichen werden.
The Notification and Procedures Subgroup[15]
Das wichtigste Vorhaben in dieser Arbeitsgruppe ist die Entwicklung und Veröffentlichung einer Reihe von Arbeitsprinzipien und Empfehlungen für Fusionskontrollverfahren (Guiding Principles and Recommended Practices)[16]. Ziel ist es, die Kontrollpraxis in der jeweiligen Rechtsordnung effektiver zu gestalten und die Transaktionskosten der betroffenen Unternehmen sowie die Belastung der Behörden zu minimieren. Auf Dauer könnten diese Forschungsergebnisse auch einen wichtigen Beitrag zu einem allmählichen Aufbau einer Konvergenz der Sachlösung leisten.
Auf der ersten Konferenz des ICN in Neapel, Italien (2002) wurden die folgenden Arbeitsprinzipien beschlossen: Souveränität, Transparenz, Nicht-Diskriminierung auf Grund der Nationalitätszugehörigkeit, Fairness beim Verfahren, Effizienz, rechtzeitige und effektive Kontrollverfahren, Koordination, Konvergenz und Schutz der vertraulichen Informationen.
In der Konferenz in Merida, Mexiko, (2003) und Seoul, Korea (2004) wurden insgesamt schon elf so genannte Recommended Practices in folgenden Bereichen zur Diskussion gestellt und angenommen: Zusammenhang zwischen den Effekten der Transaktion und den Kontrollverfahren, Anmeldevoraussetzung, Anmeldefrist, Zeitraum für Verfahren, Voraussetzung für Vorverfahren, Leitung der Kontrollverfahren, Fairness beim Verfahren, Transparenz, Vertrauensschutz, Kooperation zwischen den Behörden und Überprüfung der Kontrollverfahren. Beim Jahrestreffen in Bonn, Deutschland (2005) hat diese Gruppe noch zwei weitere Empfehlungen vorgestellt: Abhilfeverfahren und Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden.
Analytical Review Framework Subgroup
Diese Gruppe konzentriert sich vor allem auf die Technik der Informationsbeschaffung und auf Grundlagen der Bewertung des Sachverhalts. Mit dieser Hilfe kann sie eine Vorbedingung für eine vertiefende Analyse schaffen. Es geht dabei vor allem um die Erläuterung aller wichtigen Begriffe in der Wettbewerbspolitik. Bis heute hat diese Gruppe zwei Arbeitspapiere heraus-gegeben. Bei dem ersten Papier geht es um eine Grundlinie zur Analyse der Fusionskontrolle (z.B. die Definition über Wettbewerb, marktbeherrschende Stellung, öffentliches Interesse etc.). Dieses Thema wurde bei der Konferenz in Neapel, Italien (2002) zur Diskussion gestellt. Eine weitere Studie wurde im Rahmen der Konferenz in Seoul, Korea (2004) präsentiert. Dabei wurden weitere Kriterien für eine Definition der Begriffe vorgestellt: Markt, unilateraler Effekt, koordinierender Effekt, Barriere zum Markt und Effizienz. Sie sind als Arbeitsanleitung für die Beamten der Wettbewerbsbehörden bestimmt.
Derzeit sind zwei weitere Arbeitsprojekte in Bearbeitung. Bei dem ersten Vorhaben handelt es sich um eine Guidelines Checklist. Es ist geplant, ein Referenzhandbuch für Wettbewerbsbehörden zu erstellen. Mit dieser Anleitung wird die Arbeit der Beamten erleichtert, da die Bewertungsgrundlage sowie die Arbeitsweise bei der Kontrollpraxis systematisch erklärt werden. Des Weiteren ist das Remedies Review Project vorgesehen. Bei diesem Vorhaben geht es um eine Zusammenfassung der Arbeitsprinzipien und der Praxis bei Abhilfe Maßnahmen. Diese Praxis wird mit Hilfe einer Fallstudie erläutert.
Investigative Techniques Subgroup[17]
Ziel dieser Gruppe ist es vor allem, Forschung zu betreiben, um die beste Methode der Untersuchungstechnik beim anhängigen Verfahren herauszufinden. Die Informationsbeschaffung über die fusionierten Unternehmen ist eine wesentliche Bedingung für die Analyse, aber das bisher unilaterale Informationsverhalten der Behörden ist beklagenswert. Von daher muss die Praxis der Koordination der betroffenen Behörden während der Untersuchungszeit methodisch erprobt werden. Diese Innovation ist sehr hilfreich, um unnötige Konflikte zu reduzieren.
Diese Gruppe hat ein umfassendes Kompendium über die gegenwärtige Praxis der verschiedenen Wettbewerbsbehörden über die Untersuchungstechnik (Handbook on Investigative Techniques for Merger Review)[18] herausgegeben. Dieses ist nicht nur informativ und innovativ, sondern auch entscheidend für Zukunft. Dieses Buch vermittelt einen Überblick über Erfahrungen bei der Planung, Entwicklung sowie Bewertung der Untersuchungsverfahren. Ziel ist es, technische Schwierigkeiten bei der Beweisführung und die Rolle der Ökonomen beim Begutachtungsverfahren aufzuklären.
Zu diesem Thema hat diese Gruppe auch verschiedene Workshops durch-geführt. Die Veranstalter haben meist die leitenden Mitarbeiter der verschiedenen Wettbewerbsbehörden eingeladen. Der Hintergrund des in Washington 2002 stattfindenden ersten Workshops war eine Diskussion über den Inhalt des oben genannten Kompendiums vor der Veröffentlichung. In dem zweiten Workshop in Brüssel 2004 haben auch Firmenjuristen sowie Kartellrechtler teilgenommen. Der Workshop hatte unter anderem zum Ziel, Auswirkungen der Fallstudien zu besprechen. Der positive Einfluss der Arbeitsergebnisse dieser Gruppe geht über die Grenzen der Fachwelt hinaus. Das Material des Workshops wurde wiederum als Grundlage für weitere Trainings-maßnahmen der verschiedenen Behörden verwendet.
Competition Policy Implementation Working Group[19]
Die Wettbewerbsfrage ist aus heutiger Sicht schon global. Also ist sie nicht mehr regional geblieben und auch kein Thema nur für die Industrieländer. Angesichts der Internationalisierung der Märkte und der Wettbewerbspolitik hat das ICN einen Arbeitskreis diesbezüglich (Competition Policy Implementation, CPI) eingerichtet. Im Mittelpunkt des Interesses dieser Gruppe steht die Unterstützung der Entwicklungs- und Transformationsländer bei der Einführung der Wettbewerbspolitik und des Wettbewerbsrechts.
Als virtuelle Netzwerkorganisation hat das ICN kein Budget für eine Entwicklungshilfepolitik. Auf Dauer möchte es auch nicht als eine Art Geberorganisation im herkömmlichen Sinn aktiv werden. In Hinblick auf die wettbewerbspolitische Entwicklungszusammenarbeit will das CPI die praktische Anleitung zum Aufbau einer Wettbewerbspolitik und einem Wettbewerbsrecht in diesen Ländern anbieten. Um einen Überblick über die Entwicklung der Sachlage zu erhalten, hat das CPI die Studie „Capacity Building and Technical Assistance“ als Informationsgrundlage erstellt. Dabei geht es darum, eine allgemeine Bestandsaufnahme mit Fokus auf die Identifizierung der fachspezifischen Bedürfnisse der einzelnen Wettbewerbsbehörden und auf passende Hilfestellungen zu erzielen. Das Ergebnis dieser Studie wurde auf der Jahreskonferenz in Merida, Mexiko (2003) vorgestellt und diskutiert.
Anschließend an diese Diskussion hat das CPI 2004 in Paris einen „Workshop on Capacity Building“ durchgeführt. Eingeladen wurden zu dieser Veranstaltung nicht nur Vertreter der Wettbewerbsbehörden und der Geberländer, sondern auch die der Entwicklungsländer. Hintergrund für das Treffen war die Diskussion über die wettbewerbspolitische Bewusstseinsbildung und die Rolle der Wettbewerbsbehörden. Im Zentrum der Arbeitsagenda stehen unter anderem auch die Beurteilung der Situation und die Verbesserung der Hilfsmöglichkeit. Die Geberländer können nunmehr fachspezifische Informationen über die Rolle der Wettbewerbspolitik im Rahmen der globalen Wirtschaftsentwicklung erhalten. Auf dieser Grundlage können sie weitere Hilfsprojekte effektiver gestalten.
Innerhalb des CPI wurde eine weitere Unterarbeitsgruppe, die Competition Advocacy, eingerichtet. Ihre Arbeit richtet sich vor allem an die Zivilgesellschaft, die Fachverbände und die Öffentlichkeit. Diese Gruppe hat einen „Advocacy Report“ erarbeitet und diesen in der ersten Jahresversammlung 2002 in Neapel (Italien) vorgestellt. In diesem Bericht wurde eine allgemeine Rahmenbedingung für die Advocacy Arbeit der Wettbewerbsbehörde vorgestellt. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit sind verschiedene Maßnahmen für die Bewusstseinsbildung der Wettbewerbsfrage und die politische Rolle der Wettbewerbsbehörde bei der Advocacy Arbeit[20] geplant.
Im Jahr 2003 wurde ein „advocacy toolkit“ vorgestellt, in dem verschiedene Fördermaßnahmen (Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikationstraining und interne Beziehungen, Websitetechnik etc.) als Online-Anleitung zur Verfügung gestellt werden. Dieses toolkit wurde eingerichtet, um die allgemeinen und fachspezifischen Erfahrungen der Behörden auszutauschen, z. B in den regulierten Sektoren. Auf der Jahreskonferenz in Seoul, Korea (2004) wurden die erfolgreichen Erfahrungen im Bereich der Advocacy Arbeit in regulierten Bereichen der verschiedenen Behörden ausgetauscht. Weitere Fallstudien zu diesem Thema sind derzeit noch in Bearbeitung.
Antitrust Enforcement in Regulated Sector Working Group[21]
Diese Arbeitsgruppe befasst sich vor allem mit der Frage der Umsetzung der Wettbewerbspolitik und des Wettbewerbsrechts in regulierten Bereichen. Dabei geht es überwiegend um die Aufgabenverteilung zwischen der Wettbewerbsbehörde und der Regulierungsbehörde bei Liberalisierungsprozessen. Die rechtlichen und organisatorischen Zuständigkeiten in regulierten Bereichen sind unter anderem Gegenstand der Untersuchung.
Drei Unterarbeitsgruppen wurden Anfang 2003 je nach spezifischem Projekt eingerichtet. Gruppe I beschäftigt sich mit der Frage nach der praktischen Grenze der Wettbewerbsbehörden bei den Regulierungsprozessen. In Seoul, Korea (2003) hat diese Gruppe eine Studie über die Erfahrungen von US-amerikanischen und europäischen Anwendungen des Kartellrechts im Zusammenhang mit Regulierungsprozessen vorgestellt. Es wird gezeigt, wie die Firmen vom Spannungsverhältnis beider Behörden profitieren können.
Gruppe II befasst sich mit den Erfahrungen der Kartellrechtsanwendung auf weltweiter Ebene. Und Gruppe III beschäftigt sich mit den Erfahrungen bei der Zusammenarbeit zwischen Regulierungsbehörden und Wettbewerbsbehörden. In der Zwischenzeit hat diese Arbeitsgruppe drei Studien zur Verfügung gestellt. Die Erfahrungen in den Regulierungsprozessen im Bankenbereich sind hier derzeit Arbeitsschwerpunkt. Dabei wird untersucht, wie eine effektive Arbeitsbeziehung zwischen den Wettbewerbsbehörden und Aufsichtsbehörden im Bankenbereich erreicht werden kann. Die praktischen Erfahrungen aus Liberalisierungs- und Regulierungsprozessen sind sicherlich wertvoll für Transformations- und Entwicklungsländer.
Cartels Working Group[22]
Die Bekämpfung wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gehört zur Hauptaufgabe der nationalen Wettbewerbsbehörden. Typisch dafür sind die so genannten Hardcore-Kartelle. Bei dieser Verhaltensweise geht es vor allem um die Preis-, Mengen-, Marktaufteilungs- und Submissionskartelle. Wenn diese wettbewerbswidrigen Vereinbarungen aufgedeckt und verboten worden sind, können die Verbraucher von vielen Vorteilen (billiger und guter Produkte, mehr Service etc.) profitieren. Die vollwirksame Lösung für solche Wettbewerbsverzerrungen kann nur auf nationaler Ebene gefunden werden. Aus dieser Sicht bleibt die nationale Wettbewerbsbehörde immer der Hauptakteur bei dieser Anstrengung.
Das bedeutet jedoch nicht, dass das ICN bei diesen Themenbereichen untätig bleibt. Es will diesen Kampf tatkräftig unterstützen. Eine Arbeitsgruppe der Cartels Working Group (CWG) wurde im Rahmen der Konferenz in Seoul, Korea (2004) eingerichtet. Im Mittelpunkt des Interesses steht, am Kampf gegen Kartelle mitzuwirken. Dabei wird eine effektive Kooperation und Koordination der Behörden geplant. Um eine strategische Grundlage dafür zu schaffen, hat diese Gruppe verschiedene Studien herausgegeben. Sie hat zugleich verschiedene Workshops durchgeführt.
Vor allem entwickelt sie für alle Mit-glieder strategische Maßnahmen zur Bekämpfung von Kartellen. Dies ist auch die Basis für die weitere Projektarbeit. In der Studie „building blocks for effective anticartel regimes“ wurde ansatzweise eine Reihe von Arbeitsanleitungen entwickelt.
Sie enthält drei Arbeitsschritte: 1. Diskussion über die Definition sowie den Anwendungsbereich der „hardcore cartels“[23], 2. Erfahrungsaustausch über die Gründung einer zuständigen Gruppe und 3. Entwicklung eines effektiven Sanktionsmechanismus. In der letzten Jahreskonferenz in Bonn, Deutschland (2005) hat diese Gruppe ein weiteres Handbuch heraus-gegeben: „Manual on Anti-Cartel Enforcement Techniques“. Darin wurden umfassend die Erfahrungen der führenden Wettbewerbsbehörden etwa zu den Themenbereichen Durchsuchung, Beweisführung und Bewertung umfassend aufgezeigt. Daraus wurden good practices entwickelt. Die Veröffentlichung weiterer Erfahrungen zu diesem Thema ist derzeit noch in Bearbeitung. Geplant ist auch die Erarbeitung eines so genannten Templates on Anti-Cartel Enforcement. Diese Arbeitsanleitung soll einen Überblick über den Standard der Vollzugsverfahren vermitteln.
Zu diesem Thema hat diese CWG auch einen Leniency Workshop im Jahr 2004 durchgeführt. In Zentrum des Interesses dieser Veranstaltung steht die Frage nach Bonusprogrammen für die fusionierten Unternehmen. Die Vertreter der Behörden, die Firmenjuristen und Wissenschaftler hatten Gelegenheit, über die Anwendung von Sanktionen sowie Wirkungen der Bonusprogramme zu diskutieren. Auch wurde festgestellt, dass die Bonusprogramme nur dann funktionieren, wenn die Behörden die Möglichkeit haben, viele Anreize zu schaffen. Voraussetzung dafür ist, dass die Arbeitsverfahren durch die Behörden ordnungsgemäß und transparent durchgeführt werden. Diese Bemühung kann dazu führen, dass Unternehmen und Anwaltskanzleien eine höhere Planungssicherheit haben. Das Ergebnis dieser Veranstaltung ist veröffentlicht und hat eine positive Wirkung auf die Mitglieder hervorgerufen.
Problemlösungsfähigkeit des ICN[24]
Bisher wurde die Besonderheit des ICN durch seine Form als internationale Netzwerkorganisation vorgestellt. Neben der Zielsetzung ist ein Konsens darüber gefunden worden, welches Instrumentarium eingesetzt werden soll, um die hier angesprochene Kontrollpolitik besser zu lösen. Dabei wurde diskutiert, dass die unverbindlichen Empfehlungen wirkungsvolle Instrumente für die Mitglieder sind. Das ICN ist nur dann entwicklungsfähig, wenn Erfolge bescheinigt werden können. Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, ob und wie das ICN die Herausforderung der internationalen Fusionskontrolle meistern kann. Maßstäbe für die Problemlösungsfähigkeit sind die Effektivität und die Legitimität der von ICN bisher erbrachten Leistungen.
Effektivität
Die Effektivitätskriterien wurden bereits im Rahmen der theoretischen Analyse erörtert. Die wesentliche Mitwirkung der Netzwerkakteure ist von verschiedenen Faktoren der Partizipation und Umsetzung bestimmt, z. B. Anzahl der Mitglieder, Grad der Erreichbarkeit und Einflussmöglichkeit. Dabei wird unter anderem diskutiert, ob Leistungen über Informationsbeschaffung, Expertenberatung, Meinungsbildung, Überzeugungsarbeit, Vernetzung und Beziehungspflege bescheinigt werden können.
Partizipation
Die Effektivität des ICN wird zunächst einmal durch die Partizipation belegt. Hier wird Partizipation nicht im Sinne der massenhaften Beteiligung im konventionellen Sinne der Demokratie verstanden. Die drastische Entwicklung der Mitgliedschaft hat unter Beweis gestellt, dass Entwicklungspotenziale der Projekte feststellbar sind. Über 90 Wettbewerbsbehörden beteiligen sich an dieser Netzwerkverbindung. Nicht nur die führenden Wettbewerbsbehörden (USA und EU) interessieren sich für die Mitwirkung, sondern auch Transformations- und Entwicklungsländer sind dabei aktiv.
Aus ihrer Perspektive dürfte entscheidend sein, dass sie das ICN als Forum nutzen können. Positiv hat sich die lockere Struktur auf diesen Erfolg ausgewirkt. Durch sie werden direkte Verbindungen zwischen den Beteiligten hergestellt. Weiterhin ist die virtuelle Struktur des ICN für die aktive Partizipation förderlich, wenn auch von einer Umsetzungsverpflichtung oder einem Kompetenzverzicht hier nicht die Rede sein kann. Diese verbreitete Beteiligung ist also ein treffender Ausdruck der Inklusion und Partizipation.
Umsetzung der Arbeitsergebnisse
Die Partizipation an der Netzwerkorganisation des ICN sagt nicht viel über Problemlösungsfähigkeit aus. Es kommt entscheidend auf die Arbeitsergebnisse des ICN an. Sie umfassen alle Kriterien für Effektivität: Informationsbeschaffung, Überzeugungsarbeit, Meinungsbildung etc. Sie können sich schnell ausbreiten, wenn die fachlichen Empfehlungen, die auf Basis der Forschungsergebnisse des ICN als Standards festgelegt werden, angenommen werden. Ausschlaggebend ist aber auch, dass sie bei Bedarf und Zustimmung auf nationaler Ebene direkt angewandt werden können. Auf diese Weise ist die Einflussnahme der ICN-Richtlinie auf die Normentwicklung erkennbar. Der Entwicklungsstand der Anerkennungspraxis wird nachfolgend diskutiert.
Aus der Natur der Umsetzung heraus ergeben sich zwei Arten von Maßnahmen: die behördliche und die legislative Maßnahme. Erstere kann nur im Rahmen des Autonomiespielraums der jeweiligen Behörde erfolgen. Die zweite wäre erst dann möglich, wenn sie eine neue gesetzliche Ermächtigungsgrundlage hätte.
Behördliche Umsetzung
In der Regel haben die Behörden verschiedene Möglichkeiten, die Arbeitsergebnisse des ICN umzusetzen. Die Umsetzungsbereitschaft hängt nicht allein vom Willen der Behörden ab, wohl aber von den normativen Rahmenbedingungen. Es kommt immer darauf an, welche Themenbereiche bei der Sachlösung anstehen und wie diese von der Behörde als Akteur wahrgenommen werden. Seitdem die Empfehlungen des ICN herausgegeben werden, wurden sie von allen Beteiligten anerkannt. An dieser Stelle ist es nicht möglich, die gesamte Entwicklung der Anerkennungspraxis aller Beteiligten erschöpfend darzulegen. Es gibt auch keine zuverlässige Schätzung über die aktuelle Zahl der Umsetzungen in der Praxis. Jedoch können einige typische Beispiele die Umsetzungserfolge belegen.
Beispiele sind die Umsetzung des Transparenzprinzips und die Vereinfachung der Anmeldeverfahren. Die Behörde kann autonom entscheiden, ob und wie sie diese Verbesserungsmaßnahmen entlang der ICN-Richtlinien einleitet. Die amerikanischen Wettbewerbsbehörden haben etwa angekündigt, die vom ICN entwickelten Transparenzprinzipien zu implementieren.
Was bedeutet diese Praxis in Bezug auf den Entscheidungsfindungsprozess? Die Begründung der Behörden macht ersichtlich, ob die Entscheidung über eine Fusionskontrolle auf wirtschaftlichen oder rechtlichen Erwägungen beruht und welcher der beiden Aspekte dabei maßgebend sind. Im Hinblick auf die verbesserte Kommunikationspolitik der Behörde soll jede Entscheidung in angemessener Weise dargestellt werden, z. B. durch Pressemitteilungen und öffentliche Statements auf der Website. Diese Praxis gilt auch für den Fall einer wichtigen Änderung der Entscheidungspraxis.
Die europäische Wettbewerbsbehörde hat diese Prinzipien ebenfalls aufgenommen, indem sie alle Entscheidungen über Fusionskontrollen auf ihrer Website veröffentlicht hat. Auch die französische und kanadische Wettbewerbsbehörde haben dies in der Hoffnung getan, dass die Wirkung der Transparenz erhöht wird. Auf diese Weise können die Behörden einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten, eine wettbewerbspolitische Bewusstseinsbildung zu erreichen. Nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die Fachwelt (Unternehmen, Rechtskanzleien und Wissenschaftler) ist nunmehr in der Lage, sich über die laufende Entwicklung der Dinge zu informieren. Aufgrund der beschriebenen Entwicklung lässt sich feststellen, dass die Prinzipien der Transparenz des ICN eine positive Wirkung bei der Änderung der Informationspraxis der Behörden hervorgerufen haben.
Der Einfluss der Arbeitsergebnisse des ICN auf die behördliche Praxis wächst ständig[25]. Ein weiteres Beispiel hierfür ist die Vereinfachung des Anmeldeverfahrens. Die Empfehlungen für die Verbesserung der Anmeldeverfahren haben auch eine maßgebliche Wirkung auf die Arbeitsweise der mexikanischen Wettbewerbsbehörde gezeigt. Seit 2003 hat diese Behörde entschieden, die Anmeldeverfahren nach ICN-Standards auszurichten. Das bedeutet in der Praxis, dass die fusionierten Unternehmen die entscheidungsrelevanten Unterlagen einreichen müssen.
Mit dieser vereinfachten Praxis kann eine vorläufige Entscheidung kurzfristig getroffen werden. Die zusätzlichen Informationen zur Vorlage können nachträglich angefordert werden, nachdem die positive Entscheidung der ersten Phase des Verfahrens gefallen ist. In allen Fällen sind die Entscheidungszeiträume der Behörde nach der Reform kürzer als der Gesetzgeber voraussetzt. Diese Änderung wurde im Rahmen der umfassenden Reformen der Behörden publiziert und praktiziert.
Genau an dieser positiven Tendenz hat sich die brasilianische Behörde ebenfalls orientiert. Seit 2004 hat sie die Verbesserungsmaßnahmen nach dem Vorbild der ICN-Vorgabe eingeleitet. Wichtig ist vor allem, dass das Anmeldeverfahren vereinfacht und beschleunigt wurde. Das Ergebnis ist sehr beeindruckend. Die Prüfungsphase für ein einfaches Verfahren wurde von 39 auf 29 Tage, das Entscheidungsverfahren hat sich im Schnitt von 246 Tagen auf maximal 213 Tage verkürzt.[26]
Im Rahmen der formellen Beurteilung eines geplanten Zusammenschlusses will die brasilianische Behörde mehr Fortschritte erzielen, indem sie die Aufgreifkriterien, die vom ICN als Standards festgelegt wurden, aufnimmt. Als Aufgreifkriterien fungieren in der Regel Umsatzschwellenwerte. Erzielen die beteiligten Unternehmen einen bestimmten Umsatz in einem Geschäftsjahr, so müssen sie einen Zusammenschluss anmelden. Vor der Reform hat die brasilianische Behörde auch die weltweite Umsatzschwelle als zusätzliches Kriterium aufgegriffen.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass diese weltweite Umsatzschwelle während der kurzfristigen Phase der Anmeldung außerordentlich schwer zu erfassen ist. 2005 hat die Behörde entschieden, dass nur die brasilianischen Umsätze (erst ab 400 Millionen $ R) wesentliche Voraussetzung für die Anmeldung sind. Bei kurzen Anmeldefristen ist diese Vereinfachung von Vorteil, da diese Kriterien einfacher und schneller nachprüfbar sind. Diese Lösung nach ICN-Standard gewährleistet auch eine höhere Rechtssicherheit sowie eine Kostenentlastung für die fusionierten Unternehmen[27].
Die positiven Erfahrungen des ICN haben zudem die Verwaltungspraxis der verschiedenen Behörden weltweit beeinflusst. Die australische Behörde plant derzeit, das Handbuch über die Fusionskontrolle für Praktiker nach der Vorgabe des ICN erneut zu bearbeiten. Ziel ist es, die Transparenz und die Berechenbarkeit der Behörden zu erhöhen -dies auch beim informellen Prozess. Die Recommended Practiceswurden nicht nur von den Beamten der Behörden, sondern auch von den anderen Fachgruppen anerkannt.
Auf Basis dieser verbreiteten Akzeptanz ist deren Einführung leichter geworden. Die Tendenz ist steigend. Im Jahr 2004 hat die amerikanische Wettbewerbsbehörde ebenfalls einen entsprechenden Leitfaden veröffentlicht. Danach ist sie bereit, einen Überblick über die Bewertungsgrundlage des Fusionsprojektes zu geben. Diese Information ist nur für die Anwaltschaft und die Firmen bestimmt. Die positiven Erfahrungen des ICN haben auch die französische Wettbewerbsbehörde dazu bewogen, im Jahr 2005 ein Handbuch über diese vereinfachte Praxis zu veröffentlichen.
Dabei ist eindeutig zu erkennen, dass sie die Arbeit des ICN nicht nur als eine Quelle der Inspiration ansieht, sondern auch von den bestehenden Ressourcen des ICN Gebrauch gemacht hat. Diese erfreuliche Wirkung geht über die Grenzen der Industrieländer hinaus. Auch die Transitions- und Entwicklungsländer haben diese Praxis angenommen. So hat die slowakische Wettbewerbsbehörde die Verordnungen 268 und 269 bezüglich der Fusionskontrolle am 21. April 2004 erlassen. Darin sind die Voraussetzungen über Umsatzschwelle und Prüfungsfrist nach der ICN-Vorgabe fest-gelegt.
Umsetzung durch gesetzgeberische Zustimmung
Wie bereits erörtert ist die Behörde nicht immer autonom, die Reformmaßnahmen über Kontrollverfahren einzuleiten. Teilweise ist eine parlamentarische Ermächtigungsgrundlage dafür erforderlich. Ohne parlamentarische Zustimmung kann von einer behördlichen Reform nicht die Rede sein. Dazu folgen noch einige Beispiele über die beachtlichen Auswirkungen der ICN-Vorgaben auf die parlamentarische Arbeit.
2004 hat die Europäische Kommission die Fusionskontrollverordnung geändert. Die Anpassung steht zum Teil in Übereinstimmung mit der ICN-Vorgabe, etwa in den Bereichen Anmeldevoraussetzung und Prüfungsfrist. Zur Vorlage wird die Vereinbarung eines Fusionsprojekts nicht mehr verlangt. Eine Absichtserklärung der beteiligten Unternehmen reicht für die Vorprüfung schon aus. Zudem sind die beteiligten Unternehmen nunmehr frei, die Anmeldefrist zu bestimmen.
Im Jahr 2003 hat das Parlament in Rumänien die Verordnung Nr. 121/ 2003 gebilligt, in der zahlreiche Änderungen über Anmeldeverfahren nach Vorgabe des ICN in Kraft getreten sind. Die Höhe der Umsatzschwelle ist mittlerweile auffallend niedrig. Ein Fusionsprojekt ist zur Anmeldung verpflichtend, wenn der Gesamtumsatz über zehn Millionen beträgt, und davon zwei rumänische Unternehmen mehr als vier Millionen Umsatz vorweisen. Vor der Änderung lag die Umsatzschwelle bei über 25 Milliarden Lei.
Verschiedene Länder haben angekündigt, die bestehenden Gesetze über die Fusionskontrolle zu verändern, mit der Hoffnung, attraktivere Rahmenbedingungen für weitere Investitionen zu schaffen. Danach ist die Verknüpfung mit ICN-Erwägungen für die Beurteilung von Zusammenschlüsse kennzeichnend. Costa Rica, Peru und Polen sind derzeit dabei, zahlreiche Versuche zu unternehmen, um die gesetzgeberischen Zustimmungen zu erreichen. Alle haben sich zum Ziel gesetzt, den Vorgaben des ICNs zu entsprechen.
Aus der bisher dargestellten Entwicklung der Anerkennungspraxis ergibt sich, dass die Problemlösungsfähigkeit des ICN im Hinblick auf Effektivität fest-gestellt werden kann.
Legitimität
Nachdem die Problemlösungsfähigkeit des ICN hinsichtlich der Effektivität festgestellt wurde, stellt sich nun die Frage nach dessen Legitimität[28]. Zu klären ist, ob und wie die Legitimität des ICN eingeschätzt werden kann. Die Kriterien der Legitimität wurden bei der Analyse der Operationalisierung erörtert und werden im Folgenden untersucht.
Legitimation durch die Output-Dimension
Aus einer problemlösungsorientierten Perspektive für einen Sachverhalt mit grenzüberschreitender Wirkung stellt sich hier die Frage, ob die gut funktionierenden Informations- und Koordinationsnetzwerke eine Legitimationsbasis verschaffen können,[29] ob also das ICN als internationale Netzwerkorganisation an der Gestaltung internationalen und nationalen Rechts beteiligt werden kann und inwieweit die nützlichen Arbeitsergebnisse durch den ICN-Prozess den Anforderung einer Regelsetzung entsprechen, damit eine Legitimität jenseits des Nationalstaates angenommen werden kann.
Um diese Frage beantworten zu können, ist der Rückgriff auf Output-Legitimität als Variable vonnöten. Die Analyse der Operationalisierung hat bereits gezeigt, dass es nicht nur um die Effektivität der Lösung geht, sondern auch um die Qualität der inhaltlichen Entscheidung. Ob und inwiefern sich normative Erwägungen mit den Effektivitätsanalysen verbinden lassen sind Fragen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Von Interesse ist vielmehr, wie die Beiträge des ICN zum grenzüberschreitenden Regieren bewertet werden können. Dabei werden der Umfang und das Gewicht der Arbeitsleistungen des ICN in der Praxis Ausgangspunkt der kritischen Überlegung sein.
Bei der Output-Dimension geht es nicht um die formelle Seite der Entscheidungsfindung und Gesetzesverabschiedung. Hier steht in der Regel vor allem eine hierarchische Beziehung zwischen Obrigkeit und Bürger im Zentrum. Dieses Abhängigkeitsverhältnis liegt eindeutig nicht vor, da es beim ICN um eine gleichberechtigte Netzwerkbeziehung zwischen Akteuren im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit geht.
Die Betrachtungsweise des Netzwerks im Sinne einer klassischen politischen Ordnung ist in diesem Kontext ebenfalls untauglich, da das ICN fast ausschließlich als eine fachspezifische Interessenvertretung anzusehen ist. Die selektive Teilnahme an den Verhandlungen auf internationaler Ebene ist ein eigentümliches Charakteristikum des ICN. Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass die Netzwerkorganisationen die Beziehungen selbst organisieren können. Sie übernehmen Kompetenzen, führen Verhandlungen und bereiten Lösungen vor. Die direkte Beteiligung von Netzwerken zur Regulierung grenzüberschreitender Wirtschaftstätigkeiten ist nunmehr bedeutsam geworden.
Die Arbeitsleistung des ICN ist schon oben im Detail analysiert worden. Es geht bei dieser Selbstorganisation um die Generierung neuer Problemlösungen und die Verbreitung von Informationen im Kreis der Beteiligten. Auf Basis der bisher gewonnenen Erkenntnisse kann hier festgestellt werden, dass der Umfang der bisher erbrachten Leistungen des ICN beachtlich ist. Gerade deshalb kann im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass das Netzwerk zweifellos Legitimität schaffen kann. Unbestritten ist, dass es zu einer dynamischen Entwicklung der Normanerkennung beigetragen hat. Die Anerkennungsregeln existieren in der komplexen, aber übereinstimmenden Praxis der Behörden mit Bezugnahme auf die Kriterien des ICN.
Bei genauer Betrachtung der Beiträge des ICN lassen sich einige besondere Bemerkungen über ihren Umfang und ihr Gewicht herausstellen. Das Arbeitsprogramm des ICN sieht insbesondere praktische Anleitungen zur fachspezifischen Bearbeitung im Bereich globaler und grenzüberschreitender Fusionen vor. Die Erstellung von Richtlinien für die Praxis hat vor allem eine bestimmte Funktion, nämlich Informationen bereitzustellen. Die Fall- und Länderstudien haben unter anderen zum Ziel, die Praxis zu vergleichen und auf Mängel hinzuweisen. Die Nutzer dieser Empfehlungen betrachten diese Hilfe als eine nützliche Orientierung ohne verbindlichen Rechtscharakter.
Durch die Teilnahme an Veranstaltungen haben Praktiker so die Möglichkeit, Erfahrungen zu Sachlösungen auszutauschen und Arbeitsergebnisse vorzustellen. Die Koordinationsfunktion des ICN hat eine faktische Wirkung im Bereich der Gestaltung von Recht, aber nicht im Sinne einer Gesetzgebungsbefugnis. Auch durch den tatsächlichen Gebrauch dieser Spielregeln kann hier nicht angenommen werden, dass diese teilweise praktizierte Richtlinie als Pflichtregel im Rechtssinne zu qualifizieren ist. Bei dem hier angesprochenen Umfang der Arbeitsleistungen des ICN handelt es sich überwiegend um Lösungsvorschläge und Unterstützungsmaßnahmen ohne rechtliche Bindungswirkung.
Bei den Hinweisen zur Bearbeitung der Sachlösung geht es vor allem um eine praktizierbare Orientierungshilfe bei der Problemidentifikation, bei der Bereitstellung von Informationen und bei der Herstellung von Unterstützung. Auch die Wettbewerbsbehörde als Beteiligte muss noch selbst entscheiden, was sie autonom implementieren kann und was zur weiteren Anwendung eine parlamentarische Zustimmung braucht. Aus dieser Vermittlungsfunktion des ICN ergibt sich, dass es keine verbindliche Regulierungsleistungen im strengen Sinne hervorbringen kann.
Aus diesem Grund kann die direkte Beteiligung am Verfahren der Rechtssetzung nicht erörtert werden und die Legitimität des ICN in Bezug auf die Output-Dimension nicht eindeutig eingeschätzt werden.
Legitimation durch Throughput-Dimension
Allerdings scheint diese Einschätzung problematisch zu sein. Sicherlich sind die Netzwerkakteure nicht die Schöpfer von Regulierungsleistungen. Sie haben auch keinen Anspruch auf Rechtssetzung geltend gemacht. In der Praxis sind sie einflussreiche Akteure im Regulierungsprozess. Sie bieten kostbare Ressourcen zur Effizienzerhöhung an. Wenn Regulierung als eine Festlegung verbindlicher Rechtsnormen verstanden werden kann, dann sollte der Frage, ob und wie die Netzwerkbeteiligten aus Partikularinteressen heraus regulierend auf ihr Umfeld einwirken können und dürfen, konsequent nachgegangen wer-den.
Vor diesem Hintergrund wäre es zu überlegen, ob eine Legitimation durch Verfahrensweise[30] möglich ist, ob also eine Throughput-Legitimation besteht.
Nach der Auffassung von Luhmann ist Legitimität vornehmlich über Verfahren vermittelt: Es kommt also nicht auf die Anbindung an den Bürger bei der inhaltlichen Entscheidung an, sondern das Defizit der Legitimität besteht vielmehr darin, dass das politische System ohne Verfahren nicht funktionieren kann. Von daher wird Legitimation nicht extern durch den Bürger, sondern vom politischen System durch Verfahren selbst erzeugt.
Nach dieser Theorie sind die Verfahren offen für unterschiedliche Inhalte. Sie sind auch nicht unbedingt an bestimmte Normen gebunden. Also finden Verfahren eine Art genereller Anerkennung, die unabhängig von der Lösungsfähigkeit der einzelnen Entscheidung sind. Die Anerkennung zieht die Hinnahme und Beachtung verbindlicher Entscheidungen nach sich. Das Konzept ist nicht normativ geprägt, sondern es basiert im Wesentlichen auf gesellschaftlichen Faktoren.[31] Legitimität beruht also nicht auf freiwilliger Anerkennung und auch nicht auf verantwortender Überzeugung, sondern im Gegenteil auf einem sozialen Klima, das die Anerkennung verbindlicher Entscheidungen als Selbstverständlichkeit institutionalisiert.[32]
Aus den soeben angesprochenen positiven Erfahrungen des ICN geht hervor, dass das, wie man es ausdrücken könnte, soziale Klima im Sinne dieser Theorie, wenn es überhaupt auf die internationale Ebene über-tragbar ist,[33] bestätigt werden kann. Die Verantwortlichen haben aus der Eigendynamik und Bindekraft heraus innovative Verfahren entwickelt. Wenn die Beschreibung nach dieser Theorie richtig ist, dann haben die Arbeitsergebnisse des ICN eine Legitimationsbasis. Also kann die Legitimität ohne weiteres bejaht werden. Auf diese Weise kann das formale Prinzip eines Verfahrens angenommen werden und gleichzeitig inhaltliche Entscheidungen unberücksichtigt bleiben.
Aber ist das ICN dann wirklich legitimiert? Zu fragen ist, auf welche Weise die Entscheidung gefallen ist und wie es zu beurteilen ist, dass fast ausschließlich Experten des ICN die Richtlinie verbreiten. Noch bedenklicher ist die Frage, ob die Verfahren des ICN aufgrund der faktischen Überzeugung von der Richtigkeit der Sachlösung deshalb legitimiert sind.
Diese Überlegung scheint wenig überzeugend zu sein. Die Beteiligung des ICN am politischen Prozess beinhaltet einen besonderen Aspekt, was die Verfahren zur Rechtssetzung angeht. Das ICN spielt eine beachtliche Rolle, indem es eine Reihe von Informationsbeschaffungs- und Unterstützungsleistungen vorbereitet. Hinzu kommt noch die Aufgabe der Interessensvertretung und des Capacity-Building. Dabei ist die Aufgabenwahrnehmung auf eine funktionelle Grenze gestoßen. Der umfangreiche Ressourcentransfer im Rahmen der Netzwerkorganisation deutet eher darauf hin, dass das ICN nicht als eigenständiger Schöpfer von Regulierungsleistung durch Verfahren anzusehen ist.
Es ist also anzunehmen, dass die Arbeit des ICN nicht regulierungsbedürftig ist, dass sie also mit staatlich legalisierten und rechtlich geregelten Erzwingungsverfahren durchgesetzt werden muss, um eine Bindewirkung zu entfalten. Die vom ICN durchgeführten Verfahren, die die Unternehmen und Behörden durch kognitive Konvergenz zur Einhaltung derselben motivieren, haben keine rechtliche Wirkung und sind demzufolge nicht ausreichend, um Gegenstand einer wirklichen Legitimation durch Verfahren zu sein. Die Throughput-Dimension des ICN hat einen positiven politischen Einfluss in der Fachwelt sowie in der Öffentlichkeit. Die rechtliche Ausstrahlungswirkung der Richtlinie schafft keine Verbindlichkeit im Recht. Demzufolge kann keine Basis für die Legitimation für die Verfahrensweise des Netzwerks nach dieser Theorie begründet werden.
Legitimation durch demokratische Kontrolle
Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass eine Legitimationsbasis für die Arbeit des ICN in der Output- und Throughput-Dimension nicht hinreichend begründet werden kann. Zu klären bleibt jedoch, ob eine Legitimationsstiftung durch pluralistische Modelle der Demokratie möglich ist. Die theoretische Grundlage für diese Theorie wurde bereits oben dargestellt. Ausschlaggebend sind als entscheidende Kriterien an dieser Stelle zu nennen: die politische Verantwortlichkeit, die Transparenz des Verfahrens und die Öffentlichkeit.[34]
Im Kern besagt der Gedanke der politischen Verantwortlichkeit (accountability), dass die Regierenden ihre Entscheidungen öffentlich rechtfertigen müssen. Wenn die politischen Entscheidungsträger ihre Verantwortung nicht erfüllen, dann sind sie verpflichtet, die Sachlage aufzuklären. Wenn sie auch nicht mit der Aufklärungsarbeit überzeugen können, müssen sie mit der Abwahl rechnen.[35] In Bezug auf das ICN ist nun zu fragen, ob eine politische Verantwortung hier überhaupt denkbar ist, da die Kongruenz zwischen policymaker und policystaker rein virtuell ist.
Wie bisher dargestellt wurde, handelt es sich beim ICN um ein issue network.[36] Also entspricht es nicht den Kriterien demokratischer Institutionen in Nationalstaaten. Die Beteiligten sind hier sehr selektiv. Interessen, Ideen und Perspektiven sind fachspezifisch bedingt. Daher ist die Struktur der Governance auch eindeutig als politikfeldzentriertes Netzwerk einzuordnen. Die höheren Beamten der Wettbewerbsbehörden verfügen nicht über die demokratische Legitimation der Nationalstaaten, die sie vertreten[37].
Von der Möglichkeit direkter Wahl oder Abwahl der Akteure kann ebenfalls nicht die Rede sein, da es ein solches Mandat von vornherein nicht gibt. Der Charakter des ICN ist vollkommen anderer Art: Es handelt sich letztendlich um eine virtuelle Organisation, in der Experten der verschiedenen Wettbewerbsbehörden auf freiwilliger Basis mit Vertretern internationaler Organisationen und Interessengruppen (Unternehmer, Kartellrechtler und Verbraucherschützer) zusammen-arbeiten. Um die Prozesse und die Leistungen des ICN besser beurteilen zu können, muss die Eigenschaft des ICN-Forums hier erörtert werden. In Bezug auf seine Funktionswahrnehmung sieht das ICN das Jahrestreffen und verschiedene Veranstaltungen (Workshops etc.) vor. Die Referenzgruppen werden je nach Zweck dazu eingeladen.
Ziel der Konferenz ist es, die virtuellen Interaktionen zu formalisieren und die Ergebnisse der Arbeit zu diskutieren. Das ICN-Forum hat daher keine bestimmte politische Funktion im strengen Sinne, zumal diese Plattform lediglich dazu bestimmt ist, mit Experten, nationalen Behörden sowie einer Vielzahl von Interessengruppen Kontakte aufzunehmen und zu pflegen. Diese fachlichen Beziehungen von Eliten im Rahmen der Netzwerkdimension sind nicht mit dem Prinzip der Repräsentation im konventionellen Sinne vereinbar. Daraus kann also keine politische Verantwortlichkeit des ICN gezogen werden.
Möglicherweise kann die politische Verantwortlichkeit der Netzwerkbeteiligten aus dem nationalstaatlichen Kontext kommen. Das Delegationsprinzip kann hier als Denkmodell betrachtet werden, wenn die Ergebnisse der netzwerkartigen Zusammenarbeit auf internationaler Ebene als Basis für die nationale Legitimation in Verhandlungen dienen sollen. Die Theorie der Delegationskette wird in der Literatur über EU-Politik bereits intensiv diskutiert. Die unter-schiedlichen Auffassungen diesbezüglich können hier nicht weiter vertieft werden. Problematisch an dieser Perspektive ist allerdings, ob die Legitimationskette überhaupt als mögliches Instrument eingesetzt werden kann.[38]
Zunächst einmal ist feststellbar, dass die Wettbewerbsbehörden auf freiwilliger Basis zusammenarbeiten und keine Ermächtigungsgrundlage im rechtlichen Sinne dafür haben. Dazu ein Beispiel über die Rechtsstellung des Bundeskartellsamts:[39] Aus § 51 GWB ergibt sich, dass das Bundeskartellamt eine selbständige Bundesoberbehörde ist und zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft gehört. Aus dieser fachlichen Weisungsgebundenheit kann eine rechtliche Delegation zur Teilnahme an internationalen Verhandlungen über die Parlamente nicht interpretiert werden. Daher kann von einer Kette der Delegation nicht die Rede sein. Mit dieser Überlegung kann hier gesagt werden, dass die politische Verantwortlichkeit für das ICN als globales Netzwerk nicht festgestellt werden kann.
Zu bedenken bleibt immer noch, ob das Prinzip der Transparenz auch in der Praxis des ICN-Prozesses genügend beachtet werden kann.
Die Forderung nach Transparenz umfasst in der Regel nicht nur Beschlüsse, sondern auch Verhandlungsprozesse. Zu beachten ist allerdings, dass die Netzwerkartige Verbindung derzeit noch nicht sehr weit institutionalisiert ist. Ein Blick auf ihre Arbeitsweise zeigt, dass sie aus der Kooperation und Koordination der Beteiligten resultiert. Also geht es nicht um öffentliche Belange, wohl aber um die Interessen der fachspezifischen Berufsgruppen. In dieser Hinsicht stellt sich noch die Frage, wie hier Transparenz gewährleistet werden kann.
Als Kriterium für transparente Prozesse wird in diesem Kontext oft vorgeschlagen, dass der Veranstalter Aspekte der Arbeit dokumentieren und veröffentlichen soll, damit Außenstehende die Zielsetzung, Durchführung und Bewertung des Prozesses erkennen. Mit dieser Kommunikationspolitik haben die Beteiligten eine bessere Möglichkeit, Feedback zu bekommen, damit sie sich von ihrer Seite aus effektiver vorbereiten, teilnehmen und vor allem die Input-Seite sinnvoll nutzen können.
Aus der bisherigen Praxis des ICN ergibt sich, dass keine Bedenken in Bezug auf die Transparenz des ICN bestehen. Die Kommunikationspolitik des ICN konzentriert sich in diesem Zusammenhang auf virtuelle Technik. Alle Dokumente sind über das Internet zugänglich. Über die Teilnahmemöglichkeit am ICN-Prozess wird außerdem rechtzeitig informiert. Die Arbeitsprogramme sowie die Ergebnisse werden schrankenlos zur Verfügung gestellt. Bisher gibt es keine Kritik an der Informationspolitik des ICN. Eine negative Reaktion der Beteiligten sowie der Außenstehenden in dieser Hinsicht kann nicht festgestellt werden.
Es bleibt noch eine letzte Frage zu stellen, und zwar inwiefern über die netzwerkartige Partizipation eine aktive Öffentlichkeit erzielt werden kann.
Öffentlichkeit ist ein gewichtiger Gesichtspunkt in der politischen Kultur. Dazu gehört die allgemeine Meinung über und Bewertung von Politik. Dies ist keine Kategorie, die auf das ICN angewendet werden kann, da es sich um eine sektorale Öffentlichkeit und keine allgemeine Öffentlichkeit handelt. Mit diesem Aspekt ist noch die weitere Frage verbunden, ob die Einbindung der Beteiligten im ICN-Prozess sichergestellt werden kann. Mit Hilfe der internetzentrierten Informationspolitik hat das ICN Möglichkeiten angeboten, dass alle Beteiligten bei allen Meinungsbildungsprozessen mitwirken können. Die Zugangsbedingungen sind bis heute uneingeschränkt. Die Pressearbeit des ICN ist außerdem in der Gewinnung der Aufmerksamkeit fachlicher Öffentlichkeit sehr erfolgreich. Die Präsentationen der Arbeitsergebnisse werden von der Fachwelt als beeindruckend angesehen.
Aber wie ist es mit der öffentlichen Meinung? Angesichts der drastischen Entwicklung der weltweiten Fusionstätigkeiten wird der Ruf der nationalen Öffentlichkeit nach besserer Kontrolle immer lauter. Die gewachsene Unzufriedenheit der Verbraucher, der Arbeiternehmer, der Gewerkschafter und der Sozialkritiker bilden daher eine zunehmend breite kritische Basis in Bezug auf die Unkontrollierbarkeit der Entscheidungen der fusionierten Unternehmen. All diese Akteure möchten, dass der Staat alles effektiver kontrollieren kann, was die gesellschaftlichen Auswirkungen der geplanten Fusionen angeht.
Gerade auf nationaler Ebene ist der Einfluss der Öffentlichkeit wegen der Natur der industriepolitischen, arbeitsmarktpolitischen und protektionistischen Interessen schon schwierig genug zu erfassen. Es bleibt derzeit nur festzuhalten, dass die Reaktionen nationaler und internationaler Öffentlichkeit für das jüngst geschaffene internationale Netzwerk bisher nicht negativ ausgefallen sind. Aufgrund der Offenheit der zukünftigen Entwicklung kann an dieser Stelle kein abschließendes Urteil gefällt werden. Dies gilt auch bei der Bewertung der Advocacy Arbeit. Es ist es auch noch zu früh, um die Aufklärungsprogramme des ICN über die wettbewerbspolitische Bewusstseinsbildung für die Weltöffentlichkeit zu bewerten.
Diese Ergebnisse werden allerdings dadurch relativiert, dass das ICN zumindest die begrenzte Fachöffentlichkeit aufmerksam gemacht hat. Die Fachwelt wurde und wird mobilisiert, an ICN-Prozessen teilzunehmen. Diese Befunde, die sich auf die sektorale Ebene ermutigender Effekte beziehen, bedeuten nicht, dass eine öffentliche Meinung über die Arbeit des ICN als ein neuer Katalysator völlig unwirksam wäre. Dies ist im Hinblick auf die Weltöffentlichkeit[40] allerdings nicht eindeutig bestimmbar.
Aus diesen Befunden lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass nur eine begrenzte Legitimität des ICN bescheinigt werden kann, da die politische Verantwortlichkeit und die Öffentlichkeit defizitär sind. In Blick auf die Problemlösungsfähigkeit des ICN ist damit festzuhalten, dass die Effektivität des ICN als recht hoch eingestuft werden kann, nicht aber seine Legitimität.[41]
Auswirkungen
Die Leistungsfähigkeit des ICN, gemessen an der Effektivität und Legitimität, wurde in der bisherigen Diskussion dargelegt. Es stellt sich hier die Frage, welche Auswirkungen der bisher dargestellten internationalen und nationalen Lösungsmechanismen auf den Teilerfolg des ICN festgestellt werden können.
Um die Frage nach den Auswirkungen beantworten zu können, ist hier noch zu klären, welche Beziehungen zwischen Nationalstaaten, internationalen Organisationen und globalen Netzwerke überhaupt bestehen. Anders ausgedrückt: Wie können diese Verhältnisse zueinander charakterisiert werden? Gerade im Hinblick auf die Festlegung von Mindestanforderungen als code of best practices können die Auswirkungen der Regulierungsbemühungen auf die staatlichen und internationalen Lösungsmechanismen und die Entwicklung der globalen Märkte thematisiert werden.
Globale Netzwerke und Markt
Das ICN hat vor, Mindestanforderungen an Techniken und Prozeduren bei der Lösung im Bereich der Fusionskontrollpolitik auf globaler Ebene zu erarbeiten. Diese Arbeitsweise ist inzwischen teilweise in der Praxis positiv bestätigt worden. Die Unternehmen können von der innovativen Lösung des ICN profitieren (Reduzierung der Belastung beim Anmeldeverfahren, Kostenersparnis und Planbarkeit des Fusionsprojektes etc.). Wenn diese Verbesserungsvorschläge auf nationaler Ebene umgesetzt würden, wäre ein weiterer Anreiz für ein Fusionsengagement denkbar. Sicherlich ist dieser Vorteil mit anderen Faktoren (Rahmenbedingen für Investitionen, Steueranreiz, Rechtssicherheit, politische Stabilität etc.) verbunden. Von daher ist es durchaus nachvollziehbar, dass die international operierenden Unternehmen die Arbeitsweise des ICN bisher tatkräftig unterstützt haben, da sie aus Kalkülen des Eigennutzes an dieser Strategie mitwirken möchten. Von Anfang an hat die Wirtschaftsgemeinschaft einen maßgeblichen Beitrag bei der Gründung des ICN geleistet. Nach der Entstehung des ICN hat sie zudem eine beratende Funktion in verschiedenen Fachausschüssen übernommen und ist auf jeden Fall als relevante Gruppe[42] zu bezeichnen. Im Allgemeinen kann hier gesagt werden, dass die dynamische Entwicklung des ICN einen positiven Beitrag zur Entwicklung der globalen Fusionsgeschäfte und der Internationalisierung des Marktes leisten kann.
Globale Netzwerke und Nationalstaat
Angesichts der Arbeitsbeziehungen zwischen dem ICN und den Wettbewerbsbehörden ist hier zu fragen, inwieweit das globale Netzwerk die Regulierungsfunktion der Nationalstaaten übernehmen kann und wo die funktionelle Grenze bei dem zunehmenden Steuerungspotential liegt.
Wie oben bereits erörtert, hat das Scheitern der bisherigen Versuche zur Findung eines internationalen Lösungsmechanismus für die Fusionskontrolle dazu geführt, dass die Beteiligten eine Netzwerkstruktur entwickeln wollten. Die kooperative Strategie des ICN ist in diesem Zusammenhang geradezu eine Motivationsgrundlage für die substaatlichen Akteure. Im Rahmen dieser Netzwerkdimension übernehmen sie freiwillig eine Aufgabe, die die Nationalstaaten und die internationalen Organisationen bisher nicht so erfolgreich bewältigt haben.
Es lässt sich zunächst feststellen, dass die Effektivität des ICN sich fast aus-schließlich auf den Ressourcentransfer auf globaler Ebene bezieht. Die Umsetzung der Arbeitsergebnisse des ICN auf nationaler Ebene ist wiederum politisch von den Nationalstaaten und fachlich von den nationalen Wettbewerbsbehörden abhängig. Die nationale Wettbewerbsbehörde kann dabei im Rahmen des Autonomiespielraums entscheiden, ob und wie sie diese Codes of Best Practices aufnimmt oder ob sie dafür unter Umständen noch eine parlamentarische Zustimmung benötigt. Also kann das ICN die Funktion der nationalen Wettbewerbsbehörde und der nationalen Parlamente nicht ersetzen.
Auch wird deutlich, dass eine Voraussetzung für die Erfolgsbedingung des Ressourcentransfers gerade die Umsetzungsbereitschaft der staatlichen und substaatlichen Akteure ist. Ohne staatliche Zustimmung und behördliche Mitwirkung ist diese Realisierung unmöglich. Auch die Politisierung eines fachlichen Themas kann für die jeweilige Gesellschaft relevant sein. Die Mobilisierung zur Abstimmung des Projektes setzt auf jeden Fall zunächst die Mitwirkung verschiedener Akteure der Binnengesellschaft voraus. In diesem Sachzusammenhang kann hier von einem komplementären Verhältnis zwischen Nationalstaat und Netz-werk gesprochen werden.
Aufgrund der hier angesprochenen komplementären Beziehung könnte sich ein weiteres politisches Thema von grundlegender Bedeutung ergeben. Aus heutiger Sicht ist eine solche Konformität der Sachlösung auf Dauer durchaus denkbar, wenn sich die weiterreichenden Bemühungen der Beteiligten zur Koordinierung der Standardisierung fortsetzen, zumal unterstellt wurde, dass es sich bei der Sachlösung um die Festlegung einer Art Mindeststandard im Vorverfahren handelt. Abstellend auf eine mögliche Umsetzungsbereitschaft und ein Zustandekommen einer formellen Konformität im Vorverfahren kann eine weitere Frage gestellt werden: Wäre damit der Konflikt in der internationalen Fusionskontrollpolitik tatsächlich gelöst?
Bei einer genaueren Betrachtung kann sich etwas anderes ergeben. Der Kernpunkt der Konflikte über Fusionskontrolle liegt tiefer, als hier dargestellt wurde. Der Grund dafür ist, dass die nationale Wettbewerbspolitik zur nationalen Wirtschaftspolitik gehört. Die Auswirkungen der Fusionstätigkeiten auf nationaler Ebene werden von verschiedenen Akteuren mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Interessen wahrgenommen. Die Gewerkschaften, die Arbeitnehmer, die Verbraucher und die Kirchen bilden die öffentliche Meinung über die Zukunft des sozialen Friedens der Gesellschaft. Die Wettbewerbsbehörden denken dabei nur an die fachlichen Konsequenzen der Entscheidung (z.B. Verdrängung durch marktbeherrschende Stellung, Subventionshintergründe etc.).
Die fusionierten Unternehmen beschäftigen sich unter anderem mit der Frage der strategischen Ausrichtung auf globaler Ebene, indem sie auf die Gewinnmaximierung und die optimale Mobilisierung der Ressourcen abzielen. Die Staatspolitiker berücksichtigen nicht nur die langfristigen Folgen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung (Steuereinnahmen, Wachstum und Beschäftigung), sondern sie müssen auch die Aussicht auf Erfolg auf eine Wiederwahl und Effekte des Lobbyismus beachten. Also sind die aus der Fusion entstandenen Konflikte im Kern industriepolitischer, arbeitsmarktpolitischer, protektionistischer und parteipolitischer Natur.[43]
Das Konfliktniveau findet selbstverständlich auf nationaler Ebene inklusive aller wirtschaftpolitischen Gesichtspunkte statt. Aus diesem Grund kann das globale Netzwerk die gesellschaftlichen Interessen auf nationaler Ebene nicht vollständig wahrnehmen. Es kann auch nicht eine gesamte Ausgleichlösung für alle Akteure auf nationaler Ebene vorbereiten, da seine Aufgabe hauptsächlich darin besteht, eine politisch unabhängige Koordinierungsbemühung auf globaler Ebene vorzubereiten. Wichtig ist auch, dass die Verfahrenseffizienz der Sachlösung die Hauptaufgabe des ICN ist.
Es mag sein, dass die Vorbereitung der Sachlösung auf nationaler Ebene wiederum politisiert wird. Die gesellschaftlichen Akteure können dabei, je nach politischer Position, Stellung nehmen. Das ICN als Forum der Fachwelt kann keinen wesentlichen Beitrag für einen tieferen Politisierungsgrad der Sachlösung auf nationaler Ebene leisten. Die nationale Wettbewerbspolitik ist Sache der Staatspolitik, die zudem mit der Förderung der Wohlfahrt betraut ist. Das ICN ist auch nicht in der Lage, die nationale Wettbewerbspolitik besser zu fördern. Die wohlbekannte Überlegung „global denken und lokal handeln“ gilt nicht nur für Akteure in der Umweltpolitik, sondern auch für die Entscheidungsträger in der Wettbewerbs- und Handelspolitik. Auch die nationale Wettbewerbsbehörde kann aufgrund der fachlichen Weisungsgebundenheit nicht die gesellschaftlichen Interessen vertreten und dabei die Komplexität der sozialen Konflikte lösen. Solange es eine unterschiedliche Zielsetzung und Durchführung der nationalen Wettbewerbspolitik gibt, bestehen die Konflikte auf nationaler und internationaler Ebene weiter fort.
Vor diesem Hintergrund lässt sich festhalten, dass die funktionale Grenze beider Akteure nicht fließend sein kann, solange die Problemlösungsfähigkeit des ICN jenseits der Kapazität der nationalen Staatsakteure liegt.
Globale Netzwerke und internationale Organisationen
Bislang wurden die Koordinationsaktivitäten der OECD, UNCTAD und WTO als Beispiel untersucht. Zu klären ist, wie es mit der Arbeitsweise des ICN steht. Handelt es sich um eine Arbeitsteilung oder um eine Konkurrenz?[44] Ist der ICN eine wesentliche Gefahr für den Organisationswettbewerb?[45] Wie kann eine unnötige Überlappung der Zuständigkeiten vermieden werden?[46]
Die vorangestellten empirischen Illustrationen haben gezeigt, dass die informelle Entscheidungsfindung in diesem Netzwerk tendenziell effektiver ist als die bisherigen formellen Lösungsmechanismen. Diese Arbeitsweise kann aber nicht als eine Lähmung der vorhandenen Fähigkeit anderer internationaler Akteure interpretiert werden. Dafür gibt es viele Gründe. Zum einen handelt es sich bei dem ICN um eine Sektoralisierung der internationalen Wettbewerbspolitik. Diese netzwerkartige Zusammenarbeit kann auch nicht die bisherigen Leistungen der hier angesprochenen internationalen Organisationen behindern. Zum anderen können ihre bisherigen Bemühungen auch weiterhin als Basis für eine langfristige Lösung dienen. Dennoch ist das dynamische Zusammen-wirken der verschiedenen Akteure in Hinblick auf die Zukunft nicht ohne Probleme. Die folgende Analyse muss daher die bisherigen Koordinierungsbemühungen der internationalen Akteure einbeziehen, um diese Frage der Arbeitsteilung zu beantworten.
ICN, OECD und UNCTAD
Aus der offiziellen Erklärung des ICN geht hervor,[47] dass es die engere Zusammenarbeit und den Input von bestehenden internationalen Organisationen (OECD, WTO und UNCTAD) sucht. In der Praxis haben diese Akteure bisher keine Verhandlungen über eine Zusammenarbeit diesbezüglich aufgenommen. Die OECD[48] hat keine Stellungnahme zur möglichen Kooperation abgegeben. Argumentiert wird, dass noch abzuwarten bleibt, wie die weitere Entwicklung des ICN aussieht. Das Gegenteil ist bei der UNCTAD[49] der Fall. Von Anfang an verhielt sie sich sehr skeptisch gegenüber der Arbeitsweise des ICN. Mittlerweile ist sie jedoch aktiv bei der Fachgruppe des ICN für capacity building und Advocacy Arbeit beteiligt.
Wie oben schon in den Arbeitsergebnissen des ICN diskutiert, hat sich dieses bei der Arbeit über Definition und Anwendungsbereich der hardcore cartells an der Empfehlung der OECD von 1998 orientiert. Dabei ist zu erkennen, dass das ICN von dem Input anderer Organisation profitiert hat. Aus dieser unklaren Situation geht hervor, dass, solange es keine Vereinbarung über Arbeitsteilung gibt, hier auch nicht von einer eindeutig einvernehmlichen Zusammenarbeit oder über Ressourcenzusammenlegung gesprochen werden kann. Eine genauere Auswirkung der Arbeitsleistung des ICN auf die weiteren Bemühungen der OECD und UNCTAD kann unter diesen Umständen nicht eingeschätzt werden. Eine Tendenz zur Konkurrenz ist derzeit allerdings auch nicht erkennbar.
Dazu noch ein Beispiel aus den Bereichen Advocacy Arbeit und capacity building: Geplant sind Hilfsmaßnahmen zur Erhöhung des wettbewerbspolitischen Bewusstseins in der Öffentlichkeit, zur Rolle der Wettbewerbsbehörde und zum Aufbau einer Infrastruktur für Transitions- und Entwicklungsländer. Früher war die UNCTAD für diese Aufgabe fast allein zuständig. Mittlerweile hat jede Organisation diesen Bereich sorgfältig eingeplant.
Die OECD, die eigentlich für die wirtschaftliche Entwicklung der Industrieländer verantwortlich ist, hat unter anderem auch ein Global Competition Forum eingerichtet und auch ein regionales Zentrum für Wettbewerbsfragen in Ungarn, Korea und El Salvador aufgebaut. Sie veranstaltet außerdem Jahreskonferenzen, um die Entwicklung der Verbreitung der Wettbewerbspolitik zu beobachten. Im Mittelpunkt des Interesses stehen zahlreiche Maßnahmen, die für die Entwicklungsländer vorgesehen wurden. Auch die Wirtschaftsgemeinschaft und die NGOs wurden mit in diese OECD-Prozesse einbezogen. Nicht nur das ICN, sondern auch die Weltbank veranstaltet Seminare über Themen der Wettbewerbspolitik für Experten der Transitions- und Entwicklungsländer.
Bei einer Gesamtschau fällt also auf, dass eine mögliche Auswirkung der Arbeitsleistung des ICN auf die anderen internationalen Akteure nicht eindeutig erkennbar ist. Bezeichnend ist nur das Konkurrenzverhältnis in Bezug auf capacity building und technical assistance.
ICN und WTO
Wie oben herausgearbeitet wurde, ist die Chance für eine neue Lancierung des Themas der internationalen Wettbewerbspolitik im Rahmen der WTO-Verhandlungen aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich geworden. Unter diesen Umständen ergibt sich keine Möglichkeit, eine internationale Kooperation diesbezüglich zum Abschluss zu bringen. Damit ist nicht gesagt, dass die Arbeitsleistung des ICN überhaupt keine Auswirkung auf die künftige Arbeit der WTO hat. Die bisherige Praxis hat gezeigt, dass die WTO über zahlreiche Erfahrungen bezüglich der Frage der internationalen Wettbewerbspolitik verfügt.[50]
Eine Arbeitsbeziehung zwischen ICN und WTO, um die Komplexität der Lösungsaufgabe gemeinsam anzugehen, ist derzeit nicht geplant. Es ist auch ungewiss, wie die Zusammenarbeit bei der Suche nach Problemlösungen in Zukunft aussieht. Gegen eine gemeinsame Initiative spricht, dass die Themenschwerpunkte der WTO mittlerweile anderweitig angelegt worden sind. Dieser Strategiewechsel hat die bisherigen Bemühungen erschwert.
Die laufende Koordination auf internationaler Ebene erfordert allerdings auch nicht so viel Gestaltungsaufwand wie oft erwartet wird. In diesem Prozess hat das ICN durch die Durchschlagskraft der Selbstregulierung eine zunehmende Rolle gespielt und Impulse für kontinuierliche Anstrengungen gegeben. Es ist auch unklar, wie sich diese Arbeitsbeziehung weiter entwickeln wird. Eine solidarische Haltung der WTO zur IC ist nicht feststellbar, aber ein Anhaltpunkt für eine Konkurrenzbeziehung ist diesbezüglich auch nicht eindeutig zu belegen. Ein ähnliches Bild bietet sich in dem Fall OECD und UNCTAD. In diesem Zusammenhang ist zu fragen, was dieStandardisierung des ICN in Bezug auf die weitere WTO-Arbeit bewirken kann.
Um Arbeitsbeziehungen beider Akteure besser zu erkennen scheint es angebracht zu sein, an dieser Stelle eine differenzierte Betrachtungsweise über eine internationale Organisation und ein Forum vorzunehmen. Die WTO hat hier Möglichkeiten, die für den Erfolg notwendig sind. Diese sind: 1. Plattform für eine Verhandlung und Abschlussvereinbarung, 2. Unterstützung und Überwachung der Implementierung und 3. Streitbeilegungsverfahren. Diese Vor-teile machen ein komplementäres Verhältnis der Arbeit zwischen ICN und WTO denkbar. Eine gegenseitige Anerkennung und Angleichung der Systeme wird bereits intensiv diskutiert.[51]
Zu bedenken an dieser Stelle ist, ob WTO und ICN in Zukunft einen ernsthaften Versuch unternehmen werden, um ein einheitliches System über ein Lösungsverfahren zu erstellen. Die bisherige Implementierung des ICN-Systems auf nationaler Ebene wurde durch die Anerkennung und Angleichung durch die substaatlichen Akteure gefördert. Diese positive Entwicklung könnte dazu führen, dass eine Rückwirkung auf die WTO-Lösung herbeigeführt werden kann. Die WTO kann zunächst als ein Fachforum für Informations- und Erfahrungsaustausch dienen. Durch die Wissensgenerierung auf fachlicher Ebene ist auch deutlich geworden, dass die Weiterentwicklung der internationalen Fusionskontrollpolitik maßgeblich durch die Zusammenarbeit zwischen WTO und ICN bestimmt werden wird. Die WTO könnte sich als Organisation ganz auf die allgemeine Zielvorgabe konzentrieren und die WTO-Mitgliedsländer könnten sich nach der Phase der fachlichen Vorbereitung in der Forumsdiskussion darauf einigen, die Arbeitsleistung des ICN anzuerkennen. So könnte mit dem Mandat der WTO eine Standardisierung für Vorverfahren in der Fusionskontrolle erarbeitet, eine entsprechende Implementierung überwacht und ein Streitfall gerichtsähnlich beigelegt werden.
Die Hoffnung darauf kann mit erfolgreichen Erfahrungen begründet werden. Tatsächlich gibt es eine Reihe von Gründen, die für ein solches Lösungsverfahren sprechen, etwa das folgende empirische Beispiel.[52] In der Tat hat die WTO eine solche Herangehensweise gezeigt und eine derartige Vereinbarung ist auch in der Vergangenheit möglich und erfolgreich gewesen. Dazu gibt es Beispiele. Die World Customs Organisation (WCO, vormals: Customs Cooperation Council) ist für die Beschäftigung mit der Frage über die Ursprungsregel zuständig. Eine direkte Arbeitsbeziehung zwischen beiden Akteuren ist nicht entstanden.
Im Laufe der Zeit hat die WTO einen technischen Ausschuss für die Frage über Ursprungsregeln[53] eingerichtet, der unter der Schirmherrschaft der WCO steht. Diese ist nun beauftragt, die Frage über Ursprungsregel umfassend zu harmonisieren (Bearbeitung, Herausgabe, Implementierung und Überwachung). Der Generalsekretär der WCO ist ermächtigt, das Treffen des technischen Ausschusses zu organisieren. Wenn auch die WTO-Mitgliedsländer nicht zugleich als WCO-Mitglied qualifiziert sind, so dürfen sie dennoch an der Konferenz als Beobachter teilnehmen. In der Vergangenheit hat die WCO zahlreiche Erfahrungen über die Verhandlungen in Sachen Ursprungsregeln sowie Zollformalitäten sammeln können. Dieser Erfolg hat dazu geführt, dass die WTO diese Arbeitsleistung anerkennt. Mit diesem Strategiewechsel der WTO wird die WCO eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der WTO-Vereinbarung über Ursprungsregeln spielen.
Dieses Vorgehen wiederholte sich bei der World Animal Health Organisation. Diese Organisation beschäftigt sich mit Krankheiten von Tieren und hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, Empfehlungen und praktische Hinweise über die Risikoabschätzung herauszugeben. Diese Arbeitsleistung wurde als Referenzbezug auf die WTO´s Agreement on Sanitary and Phytosanitory Measures[54] aufgenommen. Diese Praxis und die daraus entstandenen Streitigkeiten werden nun unter dem Dach der WTO verhandelt. Ziel ist es, Kriterien für die sanitäre Sicherheit im Welthandel von Tieren und tierischen Produkten zu vereinheitlichen. Diese Organisation war sehr kompetent in diesem Aufgabenbereich und gab Standards, praktische Hinweise sowie Empfehlungen heraus. Um die Überlappung der Zuständigkeit zu vermeiden erkannte die WTO diese Arbeitsleistung an, damit die weitere Umsetzung und Überwachung dieser internationalen Standards unter dem Dach der WTO möglich ist.
Zurück zur Standardisierung des ICN: Es stellt sich die Frage, ob die dar-gestellten Erfahrungen der WTO im Bereich WCO und WAHO auf die Arbeitsleistung des ICN übertragbar sein können, ob also eine komplementäre Funktion des ICN festgestellt werden kann. Die Frage, wie die Zusammenarbeit zwischen WTO und ICN in Zukunft aussehen könnte, kann derzeit nicht eindeutig beantwortet werden, weil eine mögliche Annäherung in diese Richtung nicht erkennbar ist. Dies liegt teilweise daran, dass das ICN immer noch als eine erst jüngst geschaffene Netzwerkorganisation anzusehen ist.[55]
Teilweise gibt es noch Bedenken, aber es bleibt zu abwarten, wie erfolgreich die Reform der WTO ist. Es ist derzeit auch nicht der richtige Zeitpunkt, um über eine Erweiterung der Themenschwerpunkte in eine kooperative Richtung zu spekulieren. Unumstritten ist allerdings, dass die Anerkennung der Arbeitsleistung des ICN sehr verbreitet ist. Als offene Frage bleibt, wie die Lösungs-verfahren in die WTO zu integrieren sind. Ob und wie das Zusammenspiel von WTO und ICN erfolgt, muss weiter beobachtet werden.
Sicherlich wird sich auf Basis der derzeitigen Überlegungen eine Chance ergeben. Um diese Chance zu nutzen, sollten beide Seiten noch weitere Anstrengungen unternehmen. Die WTO sollte sich Zeit nehmen, einen kooperativen Strategiewechsel zu überdenken. Die ICN sollte zugleich die Übernahme der neuen Rolle vor-bereiten.[56] Derzeit kann allerdings weder eine Konkurrenz noch eine Arbeitsteilung zwischen WTO und ICN im Lösungsverfahren festgestellt werden.[57]
Empirische Ergebnisse
Im Folgenden werden die vorangestellten hypothetischen Vorstellungen überprüft.
Die Arbeitshypothese lautet:
Die Staatengemeinschaft würde das ICN als Mittel für die internationale Kooperation favorisieren, wenn dieser Ansatz eine effektivere und effizientere Antwort auf die Herausforderungen der Fusionsaktivitäten bieten würde.
In dieser Arbeitshypothese werden drei Vermutungen vorgestellt. Zunächst sind die Auswirkungen der Fusionstätigkeiten auf die internationale Politik als Konfliktgegenstand zu betrachten. Aus dieser Problemlage heraus besteht ein Bedarf zur Kooperation für eine Lösungsfindung. Um die Einflussfaktoren identifizieren zu können werden drei Fragestellungen gesetzt und erläutert. 1. Auswirkungen der Fusionstätigkeiten auf die Wirtschaftspolitik des Staates, 2. eingeschränkte Handlungsfähigkeit des Staates und 3. Kooperationsbedarf als Antwort.
Im ersten Teil der Arbeit wurde gezeigt, dass die Auswirkungen der Fusionstätigkeit nicht nur auf nationaler, sondern auch auf globaler Ebene feststellbar sind. Aus Sicht der fusionierten Unternehmen handelt es sich bei dieser Geschäftstätigkeit um eine strategische Option, um eine Gewinnmaximierung zu erzielen. Die Fusionsaktivitäten der internationalen Unternehmen haben Auswirkungen auf die Wettbewerbs-, Regulierungs- und Gesellschaftspolitik.
Die Staatspolitik ist traditionsgemäß binnenorientiert, was die Effekte der Kontrolle angeht. Daher sind weiterreichende Auswirkungen der Fusionen auf globaler Ebene nicht erfassbar. Dadurch wurde die politische Steuerung durch den Nationalstaat im Zeitalter der Globalisierung geschwächt. Anhand von Plausibilitätsgesichtspunkten wurden die Vermutungen über die Auswirkungen globaler Fusionsaktivitäten und die Einschränkung des Nationalstaates bei der unilateralen Lösung bestätigt. Durch die Schwächung der unilateralen Strategie wurde die bilaterale Kooperation als eine Präferenz zur Problemlösung angenommen. Wie aufgezeigt ist die bilaterale Kooperation immer noch als gut geeigneter Ansatz anzusehen ist.
Zu beklagen ist aber, dass die Implementierung der Vereinbarung immer noch problematisch ist. Eine Annäherung zur Kommunikation und Verständigung ist allerdings weit fortgeschritten. Die unterschiedlichen Voraussetzungen im Vorverfahren sind hier als Haupthindernis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit anzusehen.
Anschließend wurde ein zweiter Einflussfaktor untersucht. Zunächst wurde vermutet, dass die Kooperation auf multilateraler Ebene eine bessere Lösung sein könne. Diese Option ist nicht neu und wird seit langem erprobt. Die Vollwirksamkeit der multilateralen Lösungsansätze ist jedoch immer wieder in Frage gestellt worden. Es wurde nachgewiesen, dass die Lösungsvorschläge im Rahmen der multilateralen Kooperation (z.B. OECD, UNTAD und WTO) bis-her nicht durchsetzbar waren. Anhand von Plausibilitätsgesichtspunkten wur-den die Vermutungen über die Unwirksamkeit der bisherigen Lösungspraxis nachgewiesen.
Angesichts dieser Entwicklungstendenz wurde noch ein weiterer Einflussfaktor herausgearbeitet. Aus der empirischen Analyse ist die Hypothese über Mindeststandards als Lösung vorgeschlagen worden. Zur Durchsetzung der künftigen Kooperation wurde eine weitere Hypothese vorgestellt. Das jüngst geschaffene Netzwerk des ICN kommt aus dieser Sicht als geeigneter Akteur in Frage. Die Problemlösungsfähigkeit und Legitimation des ICN wurde als Einflussfaktor dargestellt und empirisch geprüft. Die Ergebnisse sind noch komplexer als ursprünglich angenommen. Also kann die vorgestellte Hypothese nur teilweise bestätigt werden.
Das ICN hat einen begrenzten Beitrag zur Sachlösung geleistet, indem es bei der erfolgreichen Bildung und Entwicklung des Mindeststandards im Sinne der Schaffung einer anerkannten Norm mit-gewirkt hat. Es hat die Mitglieder sowohl in Richtung Normanpassung als auch -einhaltung beeinflusst. Die Arbeitsleistung des ICN kann dabei allerdings nur teilweise nachgewiesen werden. Eine Einschränkung der hypothetischen Vermutung wurde ebenfalls herausgearbeitet. Essentiell geht es um die Umsetzungsbereitschaft der Beteiligten. Der vom ICN herausgearbeitete Code of Best Practicesist ausschließlich auf globaler Ebene entstanden. Das ICN kann nicht die Funktion der Gesetzgebung und Verwaltung auf nationaler Ebene übernehmen. Die Verbreitung der Standards ist auf nationaler Ebene nur ein Faktor neben anderen. Es wurde auch nachgewiesen, dass die Entwicklungstendenz der globalen Fusionskontrolle mit anderen organisierten Gruppierungen auf nationaler Ebene verbunden bleibt. Also ist sie auch weiter von Staat und Gesellschaft abhängig. Das ICN leistet keinen Interventionsbeitrag für die Zielsetzung und Durchsetzung der nationalen Wettbewerbspolitik. Die gesellschaftlichen Akteure können an dieser Stelle ihre Interessen wahrnehmen und mitwirken.
Aus dieser Perspektive ist die empirische Überprüfung zu einem anderen Ergebnis gekommen als ursprünglich vermutet worden ist. Aus Sicht verschiedener Beurteilungsmaßstäbe über die Legitimationsgrundlage ist letztendlich herausgefunden worden, dass eine Legitimationsbasis für die Arbeitsleistung des ICN nicht hinreichend begründet werden kann.
Unter diesen Umständen kann die vorgestellte Arbeitshypothese mit gutem Grund angezweifelt werden, da diese positive Vermutung nicht eindeutig nachgewiesen werden kann. Problematisch an der Analyse ist, wie nun die Voraussetzungen der Präferenzen der Akteure an sich zu klären sind.
Die Präferenzen der Akteure müssen vor allem identifizierbar und verhandel-bar sein. Dies ist nur dann wahrnehmbar, wenn die Situation dies zulässt. Aber die Situation ist aus heutiger Sicht nicht eindeutig.[58] Der politische Druck von außen muss extrem stark sein, damit die Akteure bereit sind, sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Allerdings sind Zweifel angebracht, ob Präferenzen gebildet werden können. Sie stehen nicht von Beginn an fest, sondern können erst im politischen Prozess gebildet werden. Wichtig ist aber auch, dass sie von den sich verändernden institutionellen Konstellationen geprägt werden. Diese Bedingungen stellen daher eine Restriktion für die Relevanz der hier illustrierten Sachlage dar.
Auch hier ist wieder daran zu erinnern, dass es bei dieser Interessenverfolgung um eine unklare Entwicklung für die Entwicklung von Lösungsalternativen geht. Bei den Kooperationsbeziehungen im Fallbeispiel handelt es sich um eine sektorale Politikgestaltung durch substaatliche Akteure. Es kann nicht ein-geschätzt werden, ob eine weitere Institutionalisierung dieser Netzwerkverbindung möglich ist und wie sie aussehen könnte. Es ist auch nicht eindeutig zu bestimmen, wie die verschiedenen staatlichen Akteure in Zukunft auf dieses Zusammenwirken der Arbeitsleistung des ICN rechtspolitisch und diplomatisch reagieren werden.
Die verbreitete Implementierungsbereitschaft der von den ICN entwickelten Sachlösungen in kurzer Zeit ist als ein Faktor unter mehreren anzusehen. In den empirischen Analysen hat sich gezeigt, dass dies nur eine von mehreren Komponenten zur Sachlösung darstellt. Also muss eine ganze Reihe von Faktoren zusammentreffen, damit schließlich die Präferenzen gebildet und Kooperation und Koordination hergestellt werden können. Dazu müssen verschiedene Faktoren (Politisierungsgrad des Themas auf Implementierungsebene, Nützlichkeit, Notwendigkeit…) einbezogen werden, auf die hier nicht näher eingegangen wird.
Es ist wichtig zu belegen, dass die bilaterale Kooperation bis heute eine solide Basis zur Konfliktlösung darstellt. Sie wird aus heutiger Praxis von allen Akteuren praktiziert und akzeptiert. Von dieser Perspektive kann auch in absehbarer Zeit nicht abgerückt werden. Die informelle Entscheidungsfindung im ICN kann jedoch eine komplementäre Funktion übernehmen. Dabei werden die formell bestehenden Mechanismen der internationalen Akteure nicht gelähmt. Bei Bedarf kann die Ressource des ICN teilweise eingesetzt werden. Insgesamt kann der Erfolg des ICN-System nur zum Teil bescheinigt werden.
Die Gestaltungsmöglichkeit des ICN als globales Netzwerk ist, wie die hier dargestellte Analyse zeigt, sehr begrenzt. Aus diesem Grund kann hier nicht nachgewiesen werden, dass eine Verhandelbarkeit zu diesem Thema ersichtlich ist. Von einer Präferenz zur Verhandlung kann nicht die Rede sein. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Staatengemeinschaft die ICN-Lösung als Grundlage für die internationale Kooperation für globale und grenzüberschreitende Fusionskontrolle derzeit insgesamt nicht favorisieren würde.
[1] Böge, Ulf (2006): Das International Competition Network als Ansatz einer internationalen Wettbewerbspolitik in: Oberender, Peter (Hrsg.): a.a.O. S.73-86; Böge, Ulf (2005): Die Herausforderungen einer internationalen Wettbewerbspolitik in Zeiten globalisierter Märkte, in: WuW 55 Heft 6, S. 590-599; Möschel, Wernhard (2005): Wettbewerb der Wettbewerbsordnung in: WuW 55 Heft 6 S. 599-605; Stephan, Paul B. (2005): Global Governance, Antitrust and the Limits of International Co-operation in: Cornell International Law Journal 38 S. 173-218; Epstein, Richard A.; Greve, Michael S. (2004): Competition Laws in Conflict, Anti-trust Jurisdiction in the Global Economy, Washington D.C.; Budzinski, Oliver (2004): The International Competition Network, Prospects and Limits on the Road toward International Competition Governance in: Competition and Change Vol. 8 (3) S. 223-242; Jalabert-Doury, Nathalie (2003): The International Competition Network: Convergence in Merger Control? in: Revue de Droit des Affaires Internationales 6 S. 697-710; Maher, Imelda (2002): Competition Law in the International Domain: Networks as a New Form of Governance, in: Journal of Law and Society 29 S. 111-136; Reimers, Thilo (2007): a.a.O. S. 162.
[2] ICPAC (2000): a.a.O. S. 259-277
[3] Devuyst, Youri (2001): a.a.O. in: Pollack, Marc; Schaffer, Gregory C. (2001): a.a.O. S. 138.
[4] Die anderen Industrieländer vertreten die gleiche Auffassung, weil die Vorteile bilateraler Abkommen auf der Hand liegen: Bei der Verhandlung mit einem einzelnem Land kommen sie schneller zu Ergebnissen als im Rahmen der WTO-Verhandlung. Die Entwicklungsländer haben auch ein Interesse daran, sich derartigen Abkommen anzuschließen. Sie hoffen darauf, dass sie von einer entwicklungsspezifischen Ausnahme durch die direkte Verhandlung profitieren können. Beide Seiten können Ihre Interessen besser ins Spiel bringen. Dabei ist die Frage der Verhandlungsressource auch besser lösbar als unter dem Dach der WTO.
[5] Sicherlich ist die Sachlage noch komplizierter als hier dargestellt wurde. Tiefer angelegt ist die hegemoniale Position der USA in der Welthandelspolitik. Mehr dazu die glänzenden Ausführungen bei Behrens, Maria (2005/Hrsg.): a.a.O S.247-265 (257).
[6] Reimers, Thilo (2007): a.a.O. S. 118; ICN (2005): A Statement of Mission and Achievements up until 2005, abrufbar unter: http:www.internationalcompetitionnetwork.org; Böge, Ulf (2006): in: a.a.O. in: Oberrender, Peter in: a.a.O. S. 79; Böge, Ulf (2005): a.a.O. in: WuW 55 Heft 6 S. 593.
[7] ICN (2005): a.a.O. S 2; Böge, Ulf (2005): a.a.O in: WuW 55 Heft 6 S. 594.
[8] Die Liste der Mitgliedsbehörde ist abrufbar unter: <http://www.internationalcompetitionnetworld.org>
[9] Böge, Ulf (2005): a.a.O. in: WuW 55 Heft.6 S. 596.
[10] „In antitrust matters a community of scholars, lawyers and competition officials have learned to think, speak and write about competition issues in a similar way (…) This community has become an interest group itself, seeking to improve its power, prestige, jurisdiction and resource in competition with other bureaucratic and non-governmental group” in: Slaughter, Anne-Marie zitiert von Spencer, Weber Waller (2004): a.a.O. S. 60-61.
[11] Böge, Ulf (2005): a.a.O in: WuW 55 Heft6 S. 596.
[12] Es geht beim peer review hauptsächlich um die qualitative Bewertung der Wettbewerbsordnung und das Funktionieren jüngerer Wettbewerbsbehörden durch die ausländische Partnerbehörde (peers). Ziel ist es, die Schwachstelle zu identifizieren und Konformität zu erreichen. In Sachen capacity- building steht der institutionelle Aufbau der Behörde im Mittelpunkt.
[13] „The power of information is soft power, persuasive rather than coercive”, Keohane, Robert O.; Nye, Joseph, S. Jr. (1998): Power and Interdependence in the Information Age, in: Foreign Affair 77 S. 81, 86.
[14] Böge, Ulf (2006): a.a.O in: Oberender, Peter (Hrsg.).a.a.O S. 82-83; Böge, Ulf (2005): a.a.O. in: WuW 55 Heft6 S. 596.
[15] Mehr dazu s. unter http://www.internationalinternationalcompetitionnetwork.org/notification.html
[16] Verfügbar unter http://www.internationalinternationalcompetitionnetwork.org/mnprecpractices.pdf.
[17] Böge, Ulf (2005): a.a.O. in: WuW 55 Heft 6 S. 597.
[18] Abrufbar unter http://www.internationalcompetitionnetwork.org/tainventory_seoul.pdf
[19] Böge, Ulf (2006): a.a.O in: Oberender, Peter (Hrsg.).a.a.O S. 82; Böge, Ulf (2005): a.a.O. in: WuW 55 Heft6 S. 597.
[20] „Competition advocacy refers to those activities conducted by the competition authority related to the promotion of a competitive environment for economic activities by means of non-enforcement mechanisms, mainly through its relationships with other governmental entities and by increasing public awareness of the benefits of competition”, (ICN Report on Advocacy) s. <http//www.internationalcompetionnetwork.org>
[21] Böge, Ulf (2006) in: a.a.O. in: Oberender, Peter (Hrsg.).a.a.O S. 82-83; Böge, Ulf (2005): a.a.O. in: WuW 55 Heft 6 S.597.
[22] Böge, Ulf (2005): a.a.O. in: WuW 55 Heft 6 S.598.
[23] Das Thema ist schon seit langem von der OECD erkannt. Das OECD Competition Committee hat zu diesem Thema eine entsprechende Empfehlung erarbeitet. Vgl. Recommendation of the Council concerning Effective Action Against Hard Core Cartels of May 25 1998, OECD-Doc.C(98)35/Final-
<http.//webdominol.oecd.org/horizontal%5oecdacts.nsf/Display/B72A5251853D9A73C1257014005041OpenDocument>. Von dieser Grundlage hat die Arbeitsgruppe teilweise profitiert und sie vertieft.
[24] Zur aktuellen Entwicklung s. Drexl, Josef, Schröder, Dirk (2005): A Report on the Fourth Annual Conference of the ICN, abrufbar unter <http:www.internationalcompetitionnetwork.org/conferencerptbonn101005.pdf.
[25] “Over the past year the European Union, Ireland, Koera, Romania and Russia have implemented legislative or regulatory changes to conform to certain recommended practices. Brazil has announced the consideration of legislative changes. Mexico and other jurisdiction have implemented internal process reform” Blumenthal, William (2004): a.a.O S. 267-282 ( 270)
[26] Die Praxis der brasilianischen Behörde vor der Reform hat gezeigt, dass bei Auskunftsverlangen die Verfahrensfrist gehemmt worden ist. Die Behörde konnte während dieser Phase willkürlich entscheiden. Eine sehr ausführliche Diskussion s. Berg, Werner; Nachtsheim, Sabine; Kronberger, Sylvia (2003): a.a.O. in: RIW S.17; Böge. Ulf (2006): a.a.O. in: Oberen-der, Peter (Hrsg.): a.a.O S. 83.
[27] Ausführlicher bei Böge. Ulf (2006): a.a.O. in: Oberender, Peter (Hrsg.) a.a.O S. 83-84.
[28] Hier werden Legitimität als Eigenschaft und Legitimierung und Legitimation als Prozess verstanden. Zur aktuellen Diskussion s. Wiesner, Achim; Schneider Steffen; Nullmeier, Frank; Krell-Lahuhová; Hurrelmann, Achim (2006): a.a.O. in: Becker, Michael; Zimmerling Ruth (Hrsg.): a.a.O. S. 164-183.
[29] Anders ausgedrückt: Können im Zeitalter der Globalisierung, Liberalisierung und Deregulierung überhaupt Problemlösungen privatisiert werden? Dürfen private Akteure schlechthin als legitimer Erzeuger Regulierungsleistungen qualifizieren? Zur Vertiefung s. Brühl, Tanja; Dibel, Tobias; Hamm, Brigitte; Hummel, Hartwig; Martens, Jens (2001/Hrsg.): Die Privatisierung der Weltpolitik, Entstaatlichung und Kommerzialisierung im Globalisierungsprozess, Bonn.
[30] Zürn, Michael hat hier nicht tiefer als Niklas Luhmann angesetzt, was die Problematisierung auf prozeduraler Ebene angeht. Die Legitimität durch Verfahrensweisen basiert auf den Prämissen der Systemtheorie. Luhmann, Niklas (1969): Legitimation durch Verfahren, Neuwied, Berlin. Vgl. auch: Brodocz, André (2001): Die politische Theorie autopoietischer Systeme: Niklas Luhmann in: Brodocz, André; Schaal, Gary S. (Hrsg.): a.a.O. S. 465-495.
[31] Zur Frage über den Abschied von der Normativität s. Brodocz, André ( 2001): a.a.O. S. 483.
[32] Luhmann, Niklas (1969): a.a.O. S. 28 und 34.
[33] Kritisch hierzu: Brodocz argumentiert: „Die Systemtheorie hat bisher relativ wenig zur Bedeutung von Politik unter den Bedingungen der Weltgesellschaft ausgesagt“. Brodocz, André (2001): a.a.O. S. 491.
[34] Eine Übersicht über diese Zusammnenhänge bei Koehane, Robert O; Nye, Joseph S. (2003): Redefining Accountability For Global Governance in: Kahler, Miles; Lake, David A. (Hrsg.): Governance in a Global Economy; mehr zu Aspekten der demokratischen Kontrolle im komplexen Weltregieren s. Zürn, Michael (1998): a.a.O. S. 233-245.
[35] In Sinne von „Electoral accountability“ von Keohane and Nye. Zur begrifflichen Vertiefung von „electoral, hierarchical, legal, reputational and market accountability” s. Keohane Robert O.; Nye Joseph S. (2003): a.a.O. in: Kahler, Miles; Lake, David A. (Hrsg.): a.a.O. S. 386-419 (389).
[36] „The new contested issue networks are dominated by elites; the resources are effective in the network, such resources could be translated into political power at home; political power was exercised discreetly”, S. Eine entsprechende Diskussion: Accountability in Contested Issue Networks in: Keohane Robert O.; Nye Joseph S. (2003): in: Kahler, Miles; Lake, David A. (Hrsg./2003) S. 386-419 (406).
[37] Vgl. dazu die treffenden Ausführungen zum Thema Global Technocracy von Slaughter, Anne-Marie (2004): a.a.O. S. 219. Hierin sieht sie die Rolle der unelected regulators.
[38] Bejahend s. Zürn, Michael (1998): a.a.O. S. 352 ff.
[39] Die Rechtsstellung der amerikanischen Behörden ist hier vergleichbar. Auf der Bundesebene der USA sind zwei Wettbewerbsbehörden für die Durchsetzung der Antitrustgesetze zuständig: Die Antitrust Division des Department of Justice (ATD) und die Federal Trade Commission (FTC). Die Tätigkeiten der ATD sind von der Administration politisch und fachlich abhängig. Die FTC ist hingegen eine gerichtsähnlich verfasste und unabhängige Regulierungsbehörde. Für die Fusionskontrolle besteht eine konkurrierende Zuständigkeit. Eine vorherige Abstimmung der Einleitung der Untersuchungsverfahren ist daher unbedingt erforder-lich. Gesetzliche Grundlagen dafür sind der Sherman Act von 1890, der Federal Trade Commission Act und der Clayton Act. Mehr dazu s. Erb, Thoralf u. a (2000): Konsequenzen der Globalisierung für die Wettbewerbspolitik, Frankfurt am Main S. 123.
[40] Der Begriff Weltöffentlichkeit ist umstritten. Zweifelhaft bleibt, ob es eine europäische und weltweite Öffentlichkeit überhaupt gibt. Diese Diskussion wurde oft im Rahmen der deliberativen Theorie behandelt.
[41] Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt Reimers, Thilo (2007): a.a.O. S. 294.
[42] Tesauro, Guiseppe (2003): a.a.O. S. 291.
[43] Budzinski, Oliver (2002): a.a.O. S. 250.
[44] Hierin sehen auch Budzinski, Oliver; Bode Mariana (2005): Competing Ways towards International Antitrust: The WTO versus the ICN, Research paper No. 03. 2005, abrufbar unter: <http//www.-ssrn.com>
[45] Hinzuweisen ist hier auf eine Personalverquickung: Der Vorstandsvorsitzende des ICN ist der Leiter der Arbeitsgruppe der internationalen Kooperation des OECD.
[46] Das Bedenken über Mehrfacharbeit ist schon am Anfang der Gründung des ICN erkannt worden: „The aim of its founders was that the ICN would play a different but complementary role to the other international institution already active in the field of international antitrust (OECD, UNCTAD, WTO)”, s. Tesauro, Giusepppe (2003): a.a.O. S. 285; „It was intended to complement, not displace other international effort. ICN should seek to build on what these organisations have done and are doing and not to duplicate”, s. First, Harry (2003): a.a.O. S. 32.
[47] „The ICN seeks input from existing international organisations (e.g. OECD; WTO, UNCT-AD), practitioner of antitrust law and economics, industry and consumer associations as well as members of the academic community”, s. International Competition Network, A Statement of Mission and Achievements up until My 2005, abrufbar bei: http://www.international-competitionnetwork.org.
[48] „The OECD Secretariat is often asked how the OECD Global Forum on Competition does or will relate to what is now called the International Competition Network (ICN). This is a fair question, but one cannot answer it with specificity because it is unclear how the ICN actually operate” s. OECD (2001): The OECD´s Global Forum on Competition and Other Activities in: OECD Committee on Competition Law and Policy, Vol.1 S. 38.
[49] Die Stellungnahme des UNCTAD hat sich im Laufe der Zeit der Zusammenarbeit mit dem ICN geändert. In der vierten Konferenz 2002 hat UNCTAD eine abwartende Haltung geäußert: „The Fourth Review Conference, the OECD Global Competition Forum and the ICN have all placed emphasis on the co-operation relating to merger and cartels. Of course two areas, it may be preferable for UNCTAD to initially pay more attention to work on international on merger control, because actual co-operation, and discussions within and outside UNCTAD on enhanced co-operation, are more advanced in this area than with respect to cartels, and because consultations are to be held on merger control during the current session of Group of Experts. Depending upon progress relating to mergers, relatively more attention may be paid at a later stage to co-operation on cartels”, UNCTAD (2002): Experiences gained far on the international Co-operation on Competition Policy issues and Mechanism used (TD/B/COM. 2CLP/21/-Rev.1) S. 31. Im Bereich des capicity building and technical assistance programme hat das UNCTAD einen positiven Beitrag geleistet. Aus einem Report on UNCTAD 2004 geht hervor: „UNCTAD has actively participated in all ICN Conferences and some of its working groups, including those dealing with (i) The merger review context in the multi-jurisdictional context, and (ii) the advocacy role and the activities of competition activities. UNCTAD has also participated in the ICN third project on capacity building and competition policy”, A Report on UNCTAD‘s capacity building and technical assistance programme 2004 S. 26.
[50] Hinzuweisen ist auch auf die anderen Vorteile der WTO: Diese ist eine Organisation, in der nicht nur die Vertreter der Industrieländer (wie OECD), sondern auch der Entwicklungsländer (wie UNCTAD) zusammenkommen. Sie hat teilweise Erfahrungen im Bereich der internationalen Wettbewerbspolitik (z. B. Telekommunikationspolitik und andere Gebiete).
[51] Die Erkenntnisse im Bereich EU-Politik sind hier sehr fruchtbar.
[52] Schoneveld Frank R. (2003): a.a.O. S. 469.
[53] Under the WTO Agreement on Rules of Origin Art. 4.2 s. Matsushita, Mitso; Schoenbaum,Thomas J.; Mavrodis, Petro S. (2006): The World Trade Organization, Oxford S. 265.
[54] SPS Agreement Art 5 (1) and 3 (3); Matsushita, Mitso; Schoenbaum,Thomas J.; Mavrodis, Petro S. (2006): a.a.O. S. 280.
[55] Zur Perspektive der Kooperation im ICN s. Reimers Thilo (2007): a.a.O. S. 283-294.
[56] Bejahend: Schoneveld, Frank R. (2003): a.a.O. S. 469; kritisch hierzu: Reimers Thilo (2007): S. 293. Er argumentiert: Die Ausweitung der materiellen Inhalte des ICN und Errichtung eines Überwachungsmechanismus sind die Probleme. In dieser Hinsicht ist der Verwaltungsaufwand evident. Er schlägt vor, eine International Competition Organisation zu gründen.
[57] Zur Erläuterung der Bedeutungsunterschiede zwischen WTO und ICN vgl. Budzinski, Oliver; Bode, Mariana (2005): a.a.O. Sie kommen zu dem Ergebnis: „However, neither approach sufficiently includes the evolutionary perspective of sustainable adaptability. The coexistence of WTO and ICN leads to the question whether such a competition of ways is beneficial. This must be denied for reasons of resource efficiency and commitment. It would be better to concentrate on one of the ways in order to create a workable framework for inter-national competition in due course. A complementary coexistence would raise the question of competence allocation and with the long run of the two approach being not too different, a clear cut solution seems doubtful…” (S. 24). Die Kompetenzallokation und -abgrenzung zwischen WTO und ICN ist und wird voraussichtlich nicht eins der wichtigsten Themen im Bereich der Kooperationsproblematik sein, wie hier dargestellt wurde. Die Autoren haben die Erfahrungen der WTO diesbezüglich nicht berücksichtigt.
[58] Hinzuweisen ist darauf, dass die Welthandelsgespräche der WTO-Mitgliedstaaten, die schon fast fünf Jahre dauern, für eine nicht absehbare Zeit ausgesetzt werden müssen, weil wichtige Handelsmächte uneinig sind, FAZ: Welthandelsgespräche auf bestimmte Zeit vertagt, 25.06.2006 S.1.