Von Matthias HANNAPPEL, Köln, und Kim Them DO, Frankfurt a. M.

I. Einleitung
Die Volkswirtschaft der Sozialistischen Republik Vietnam (S.R.V.) hat in den 90er Jahren eine radikale Veränderung erfahren. Sie ist von der zentralen Planwirtschaft zur Marktwirtschaft übergegangen. Im Laufe der wirtschaftlichen Umgestaltung hat die makroökonomische Stabilität des Landes ein solides Niveau erreicht.
Als wesentliches Transformationsinstrument muß das Gesetz über ausländische Investitionen angesehen werden, das eine rasante Veränderung der geschlossenen Planwirtschaft gebracht hat. Das Investitionsrecht ist umfassend geregelt im Gesetz über ausländische Investitionen vom 29. 12. 1987, später mehrfach geändert, ergänzt und novelliert, insbesondere durch Gesetze vom 30. 6. 1990 und 23. 12. 1992.
In kurzem Zeitraum haben die vietnamesischen Gesetzgeber erstaunliche Fortschritte gemacht, indem sie eine umfassende Rechtsgrundlage der Investitionstätigkeit für ausländische Investoren in Vietnam geschaffen haben. Zu Beginn der Marktöffnung waren die ausländischen Investitionen sprunghaft gestiegen. Seit Jahren waren sie dann aber deutlich zurückgegangen. Die unzureichende Entwicklung sowie die Widersprüchlichkeit der bestehenden Rechtsnormen begründete für die ausländischen Investoren keine Attraktivität mehr für ein weiteres Engagement in Vietnam.
Auf die Lösung dieser Probleme konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Regierung und des Parlaments der S.R.V. Im Zuge dieses neuen Korrekturkurses der Politik sind zahlreiche Gesetzesänderungen vorgenommen worden. Das neue Gesetz über ausländische Investitionen (AuslInG) wurde am 12. 11. 1996 von der vietnamesischen Nationalversammlung beschlossen. Das AuslInG ersetzt das Gesetz über ausländische Investitionen vom 29. 12. 1987 und das geänderte Gesetz vom 30. 6. 1990 sowie vom 23. 12. 1992.
Das vorliegende AuslInG besteht aus 69 Artikeln und regelt die Rahmenbedingungen für ausländische Investitionen in Vietnam. Ziel des Gesetzes ist die Förderung ausländischer Investitionen in Vietnam bei gleichzeitiger Wahrung der Interessen des Landes; deshalb wurden die Beschränkungen für ausländische Investitionen nicht gänzlich ausgeschlossen. Es erweitert die Möglichkeiten für ausländische Investitionen gegenüber den bisherigen geltenden Gesetzen. Das Verfahren zur Durchführung der Investitionen wird allerdings grundsätzlich beibehalten. Allerdings stellt das AuslInG noch keine abschließende Regelungen der Materie dar, vielmehr wird die Regierung durch Gesetz angewiesen, zusätzliche Vorschriften für die Durchführung des AuslInG zu erlassen.
Für deutsche Investoren ist außerdem der Investitionsschutzvertrag zwischen Deutschland und Vietnam bedeutsam. Das Abkommen ist zwar unterzeichnet, aber aus verschiedenen Gründen noch nicht in Kraft getreten. Das deutsch-vietnamesische Doppelbesteuerungsabkommen vom 16. 11. 1995 ist offiziell am 27. 12. 1996 in Kraft getreten. In der Rangliste der ausländischen Investoren in Vietnam nimmt Deutschland den 17. Platz ein (Stand: Ende 1997).
Nach Angabe der vietnamesischen Genehmigungsbehörde engagierten die deutschen Firmen sich bislang in insgesamt 16 Vorhaben mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 272 Millionen Dollar. In Branchen, die für deutsche Investoren interessant sind, wie der Elektronik-, Konsumgüter- und Metallverarbeitungsindustrie sowie der Lebensmittelverarbeitung, gelten die bestehenden Rahmenbedingungen für die Erschließung des Markts als nicht ausreichend.
II. Begriff der Investition
Das neue Investitionsgesetz gibt keine geänderte Definition des Begriffs der ausländischen Investition. Nach Art. 2 Abs. 1 AuslInG sind ausländische Direktinvestitionen die Tätigkeiten der ausländischen Investoren, in denen sie das Kapital und das Vermögensgegenstände in das Land einbringen, um die Investitionstätigkeit durchzuführen. Art. 7 AuslInG enthält einen offenen Katalog der materiellen und immateriellen Werte, die ein ausländischer Investor als Investitionen in Vietnam verwenden könnte:
– ausländische Währung,
– vietnamesische Währung, mit der in Vietnam Investitionen getätigt worden sind,
– Ausrüstungsgegenstände, Maschinen, Bauwerke und andere Betriebsstätten, – der materielle Werte von industriellen Eigentumsrechten, von technischem Know-how, Verfahren und Service.
III. Formen ausländischer Investitionen und Objekte der Investitionstätigkeit
Die Möglichkeiten, ausländische Investitionen in Vietnam zu tätigen, sind vielfältig und können in nachstehenden Formen gegliedert werden.
1. Gemischtes Unternehmen aufgrund eines Wirtschaftskooperationsvertrags
Ziel ist es, ein Geschäft zwischen ausländischer und vietnamesischer Seite gemeinschaftlich zu betreiben. Nach den Grundsätzen der Vertrags- und Verhandlungsfreiheit ist jede Partei berechtigt, Zielsetzung, Kapitaleinlage, Herstellungsverfahren, Rechte und Pflichten zu bestimmen. Eine rechtliche Bindung kann nach der partnerschaftlichen Vereinbarung nicht hergeleitet werden. Der Kooperationsvertrag wird erst dann endgültig wirksam, wenn eine endgültige Genehmigung des Ministeriums für Planung und Investitionen vorliegt.
Die Besonderheit des Vertrags liegt darin daß die ausländische Partei nach dem Vertragsabschluß keine Rechtspersönlichkeit hat. Sie ist bei der Einstellung, Beschaffung und Lieferung also nicht abschlußfähig. Um diesem Nachteil entgegenzutreten, sehen die Vertragsparteien in der Praxis zumeist eine Ermächtigungsklausel zugunsten der ausländischen Partei vor. Danach ist sie berechtigt, mit anderen Geschäftspartnern vor Ort Verträge abzuschließen. Für den Abbau von Öl und sonstigen Naturressourcen ist die Rechtsform des Vertrags der Wirtschaftskooperation obligatorisch.
2. Joint Venture
Ein gemischtes Unternehmen kann aufgrund eines Vertrags über Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture) gegründet werden.
Es geht dabei um ein Gemeinschaftsunternehmen zwischen einem ausländischen und einem vietnamesischen Partner. Die Gründungsform folgt der einer GmbH nach deutschem Recht. Neu eingeführt worden ist die Möglichkeit, daß ein in Vietnam bestehendes Gemeinschaftsunternehmen mit einem ausländischen Investor oder einem vietnamesischen Unternehmen ein neues Gemeinschaftsunternehmen gründen kann (Art. 6 AuslInG).
3. Unternehmen ohne vietnamesische Beteiligung
Die Gründung eines eigenen Unternehmens ohne vietnamesische Beteiligung mit 100% eigenem Kapital ist möglich. Es handelt sich bei dieser Rechtsform um eine GmbH oder AG nach deutschem Recht. Eine Beteiligung der vietnamesischen Seite ist von vornherein ausgeschlossen. Die Entscheidungs- und Geschäftsfreiheit des genehmigten Unternehmens ist also uneingeschränkt. Der Investor darf aber diese Rechtsform nicht frei auswählen, wenn die zwingende Rechtsform der Beteiligung schon vorgesehen ist.
4. Gründung eines eigenen oder gemischten Unternehmens aufgrund eines Produktionsvertrags in einem Industriepark oder exportorientiertem Industriegebiet
Bei der Rechtsform für die Verträge ist der Produktionsstandort mit entsprechenden Einrichtungen schon vorher von der Regierung bestimmt worden. Dank passender Infrastruktur, direkter Verbindung zum Flug- oder Seehafen, gesicherter Stromversorgung und einfacher Exportverfahren können die Ausländer bei der Herstellung von Konsumgütern für Exportgeschäfte deutlich mehr Vorteile nutzen.
5. Build, Own, Transfer (B.O.T.)-Vertrag
Eine besondere Form der Investitionsprojekte, die in den letzten Jahren wachsende Beachtung in Vietnam findet, ist die Vereinbarung der Projektfinanzierung nach B.O.T. Es handelt sich bei dieser Rechtsform meist um die Beteiligung am Aufbau großer Anlagen (Energie- und Wasserversorgung, Telekommunikation und Transportsystem) oder der Infrastruktur. Danach ist der Investor verpflichtet, das gesamte Projekt voll zu finanzieren und zu errichten. Nach der Fertigstellung hat er ein Anrecht darauf, die Nutzungsgebühr einzuziehen. Nach Ablauf der vertraglichen Laufzeit muß der Investor dann die Anlagen schlüsselfertig an den Staat übergeben. Zu den besonderen Formen der B.O.T. in Vietnam, die in das neue Gesetz eingeführt worden sind, zählen: B.T.O.-Vertrag: Build, Transfer und Own; B.T.-Vertrag: Build und Transfer.
IV. Rechtssubjekte der Investitionstätigkeit
Rechtssubjekte der Investitionstätigkeiten in Vietnam können die vietnamesischen Staatsbürger, die Privat- und Staatsunternehmen, die ausländischen Unternehmen sowie ausländische Staaten selbst sein (vgl. Art. 11, 65 und 66 AuslInG). Alle Rechtssubjekte haben gleiche Rechte bei der Tätigung von Investitionen (vgl. Art. 1 AuslInG).
V. Durchführung der Investitionstätigkeit
1. Rechte und Pflichten der Rechtssubjekte der Investitionstätigkeit
Hauptinstrumente für die Investitionstätigkeit sind Verträge der Beteiligten. Die Parteien sind grundsätzlich frei, die vertraglichen Vereinbarungen zu treffen, wenn nichts anderes bestimmt ist. In der Regel müssen die Verträge nachträglich durch die Genehmigungsbehörde bewilligt werden. Investitionen ausländischer und vietnamesischer Investoren werden in ausländischer und vietnamesischer Währung nach Ermessen der Investoren auf der Grundlage vietnamesischer Marktpreise bewertet. Der Umrechnung ausländischer Investitionen in vietnamesische Währung liegt der Wechselkurs der Staatsbank von Vietnam zugrunde (Art. 36 AuslInG).
a) Rechte
Alle Rechtssubjekte der Investitionstätigkeit haben gleiche Rechte bei der Investitionstätigkeit, wenn nichts anderes in den vietnamesischen Rechtsvorschriften bestimmt ist (vgl. Art. 1 AuslInvG). Das Gesetz erlaubt die Bevorzugung bestimmter Investitionstätigkeiten z. B.: Bau in Berg- und abgeschiedenen Gebieten sowie Investitionen für die exportorientierten Produkte. Die Prioritäten der Genehmigung werden je nach den sektoralen und lokalen Bereichen in Art. 3 AuslInG vorgeschrieben. Die Investoren haben die Geschäfts- und Niederlassungsfreiheit, bestimmen also selbst die Objekte, die Höhe des Investitionsbetrags und den Umfang der Tätigkeitsbereiche (Art. 31 und 32 AuslInG). Sie haben auch das Recht, ihren Anteil an der Beteiligung zu übertragen (Art. 43 AuslInG).
b) Pflichten
Zu den allgemeinen unmittelbaren Verpflichtungen der Investoren gehören die Einhaltung der staatlichen Normen und Richtlinien (Art. 1 AuslInG) und der Umweltschutzbestimmungen (Art. 51 AuslInG), sowie die Buchführung und Erstellung von Jahresberichten (Art. 37 AuslInG).
Im übrigen haben die Investoren die besonderen Pflichten eines Rechtssubjekts mit unternehmerischen Tätigkeiten:
• Einhaltung der Steuerpflicht
Ausländische Unternehmen zahlen Gewinnsteuer in Höhe von 25, 20 und 15% des Nettogewinnes je nach der Kategorie der Investitionen. Bei Anlaufverlust sind sie bis zu vier Jahren steuerfrei. Auf ausgeschüttete und ins Ausland transferierte Dividenden und Gewinne wird eine Quellensteuer erhoben, deren Höhe (5, 7 und 10%) sich nach dem Betrag des investierten Kapitals (Art. 38 AuslInG) bestimmt.
Ein ausländischer Investor kann Sacheinlagen (Ausrüstungsgüter, Beförderungsmittel, Technologie-Transfer, Vermögensgegenstände zur Bildung des Grundkapitals eines ausländischen Unternehmens) steuerfrei einführen (Art. 47 AuslInG).
• Einhaltung der finanziellen Regelungen
Ausländische Unternehmen müssen Kosten für Devisen und vietnamesische Währung bei einer vietnamesischen Bank, einer Gemeinschaftsbank oder einer in Vietnam zugelassenen Niederlassung einer ausländischen Bank eröffnen. Zur Errichtung eines Darlehenskontos im Ausland bedürfen ausländische Unternehmen der Genehmigung der Nationalbank von Vietnam. Unternehmen müssen zur Risikoabdekkung Kapitalreserven in ausländischer Währung bilden (Art. 33 und 35 AuslInG).
Nach Ablauf eines jeden Steuerjahrs müssen die Unternehmen dem zuständigen Finanzamt und der Genehmigungsbehörde einen Finanzbericht vorlegen. Dieser Bericht soll vorher durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft überprüft werden. In der Regel müssen die Unternehmen ihre Bücher nach der vietnamesischen Buchhaltungsordnung führen. Nur mit Ausnahmegenehmigung des Finanzministeriums kann eine ausländische Buchhaltungsordnung angewandt werden (Art. 37 AuslInG).
• Pflicht zur bevorzugten Einstellung vietnamesischer Arbeitnehmer (Art. 25 AuslInG) und Einhaltung des Arbeitsrechts (Art. 26 AuslInG).
2. Verfahren zur Erteilung der Genehmigung
Für jede Investitionstätigkeit ist eine umfassende Genehmigung erforderlich (Art. 56 AuslInG). Die Erteilung liegt im freien Ermessen der staatlichen Behörden. Die Genehmigung enthält alle Bedingungen, Befristungen sowie die genehmigten Ziele der ausländischen Investitionen.
Für die Genehmigung eines Gemeinschaftsunternehmens ist es erforderlich, daß der ausländische Investor mit dem vietnamesischen Unternehmen alle Einzelheiten über eine Zusammenarbeit aushandelt. Wichtigste Neuerung des AuslInG ist die Erteilungsbefugnis der Volkskomitees der Provinzen und Städte, also nicht – wie bisher – nur des Ministeriums für Planung und Investitionen als allein berechtigte Genehmigungsbehörde (Art. 58 AuslInG).
VI. Garantie für ausländische Investoren
Das AuslInG sieht unterschiedliche Garantien für ausländische Investoren vor. So bestimmt das Gesetz, daß ausländische Investitionen nicht per Gesetz oder Verwaltungsmaßnahme enteignet werden dürfen (Art. 21 AuslInG). Ausländischen Investoren wird insbesondere garantiert, daß sie ihre Gewinne nach Zahlung aller Steuern, Gebühren und anderer vorgeschriebener Beträge ohne Behinderung in ausländischer Währung ins Ausland transferieren können (Art. 22 AuslInG).
VII. Streitschlichtungen
Streitigkeiten zwischen Partnern werden zunächst nach Maßgabe der Verhandlungen und der gütlichen Einigungen geschlichtet oder durch den Schiedsspruch des angerufenen Schiedsgerichts beigelegt.
VIII. Ausblick
Der Investitionsprozeß geht weiter. Die Regierung hat am 18. 2. 1997 Durchführungsbestimmungen zum Joint Venture-Gesetz erlassen. Leider lassen auch diese Vorschriften viele Möglichkeiten der Auslegung zu. Die vietnamesische Judikative befindet sich noch im Aufbau. Die Bedeutung des AuslInG darf deshalb nicht überbewertet werden. Eine Rechtspraxis dafür hat sich noch nicht genügend herausgebildet. Hier muß die weitere Entwicklung, inbesondere nach Erlaß der Durchführungsvorschrif[1]ten, abgewartet werden. Der Erfolg einer Investition in Vietnam hängt nicht allein von einem detailliert ausgearbeiteten Vertrag ab, sondern maßgeblich auch vom Verständnis der spezifischen Besonderheiten des Landes.
Fußnoten
Matthias Hannappel ist als Rechtsanwalt in der Praxisgemeinschaft Salomon und Hannappel in Köln tätig;
Kim Them Do arbeitet am Institut für Medienentwicklung und Kommunikation, Frankfurt a. M. und hat eine Studie, Kontakte mit Vietnam, Rahmenbedingungen und praktiche Hinweise für Investoren, 1995, veröffentlicht.
Zur BOT-Projektfinanzierung s. Scheibel, RIW 1996, 373 sowie Nicklisch, BB 1998, 2. © Verlag Recht und Wirtschaft, Frankfurt a. M.
Autor:
Matthias HANNAPPEL, Kim Them DO
Dokumenttyp: Aufsatz Literaturnachweis: RIW 1998, 520-522
Quelle: Verlag Recht und Wirtschaft, Frankfurt Fundstelle: RIW 1998, 520-522.
Zitiervorschlag:
Matthias HANNAPPEL/Kim Them DO, RIW 1998, 520-522